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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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gestanden hatte. Er stand jetzt auf und salutierte in ihre Richtung – es sah so aus, als wollte er sich über sie lustig machen. Was hatte das zu bedeuten?
    Doch dann schaute sie hoch in das Gesicht der Großmutter neben ihr und erschrak. Es war von blanker Wut verzerrt, sodass sie die alte Dame kaum wiedererkannte. Felicity lief es kalt über den Rücken; sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sich ein Mensch in einem einzigen Moment derart verwandelte. Ganz offenbar hatte der spöttische Gruß des Jungen der Großmutter gegolten. Aber was hatte er mit ihr zu schaffen? Kannte er sie? Felicity konnte sich keinen Reim darauf machen.
    »Lass das!« Isaac Tempest zog Jeb energisch an der Jacke. Jeb setzte sich widerstrebend hin. »Spiel nicht den Helden, das bringt nichts«, sagte der Großvater.
    »Ich hab keine Angst vor ihr«, murmelte Jeb trotzig.
    »Solltest du aber.« Dann wies er mit einem Kopfnicken in Richtung des Kais. »Schau mal, da ist Abednego.«
    Die riesenhafte Gestalt des Kapitäns bewegte sich mit einer flinken Leichtigkeit, die seine Stärke nur noch deutlicher machte. Ohne auf die verstohlenen Blicke und das Geflüster der Leute ringsum zu achten, machte er sein Boot am Steg fest und ging dann auf ein Gasthaus zu, über dessen Eingang ein goldenes Fernrohr prangte. Nur einmal blieb er kurz stehen und schaute einem Beamten der Küstenwache nach, der sich seinen Weg durchs Gedränge bahnte.
    Jasper Cutgrass hatte eben erst angefangen, die Akten im Stadtarchiv zu sichten, aber er war sich sicher, dass er hier der Wahrheit auf die Spur kommen würde. Jasper war ein Besessener: Von Kindheit an hatte ihn das geheimnisumwitterte Treiben dieser Schmugglerbande fasziniert, die sich Gentry nannte. Hier in Wellow gab es so unglaublich viele Dokumente, die von ihr berichteten, wie er es noch nie gesehen hatte. Hier würde er finden, was er suchte.
    Das Material war ungemein fesselnd, und trotzdem riss er sich für ein paar Minuten davon los, um die Personen in Fleisch und Blut zu sehen, die ihm aus seinem jahrelangen Studium von Sensationsberichten, Zeitungsartikeln und anderen schriftlichen Quellen vertraut waren.
    Jasper hatte am Abend zuvor schon einen flüchtigen Blick auf Abednego geworfen, den er aus Abbildungen und Beschreibungen kannte, aber jetzt stand der berühmte Kapitän wahrhaft überlebensgroß nur wenige Meter vor ihm.
    Und dort saß Isaac Tempest zusammen mit einem jungen Burschen in einem Ruderboot. Der lebenslustige Herzensbrecher und clevere Geschäftsmann Isaac Tempest, früher einer der führenden Köpfe der Gentry. Es stimmte also, er war noch am Leben.
    Einen Moment lang wurde Jasper schwarz vor den Augen, weil eine unglaublich fette Frau ihn so heftig anrempelte, dass ihm die Luft wegblieb. »Können Sie nicht aufpassen, Mann?«, giftete sie. Ein junger Mann, der einen ziemlich unangenehmen Geruch ausströmte, folgte ihr.
    Vor lauter Entzücken vergaß Jasper seine Schmerzen: Das waren eindeutig Mutter und Sohn Usage! Ein Irrtum war ausgeschlossen – Gesichter wie diese konnte man nicht verwechseln. Jasper verzog keine Miene, aber innerlich jubilierte er. Wellow übertraf selbst seine kühnsten Erwartungen. Hier würde er endlich das Geheimnis des kostbaren Objekts aus der Schatzkammer der Gentry lüften, das er in dem Kasten an seiner Seite bei sich trug.
    Villainous hatte Mühe, mit seiner Mutter Schritt zu halten, die sich mit den Ellbogen einen Weg durchs Gedränge bahnte.
    »Was zum Teufel will der Kerl von der Küstenwache in Wellow?«, knurrte sie. Weiter vorn sah sie den Mann, den sie suchte: Abednego ging vom Goldenen Fernrohr zum Steg. Der riesige dunkelhäutige Mann stach aus der Menge hervor.
    Der junge Usage hatte den Eindruck, dass der Kapitän sich Sorgen machte. Vielleicht bildete er es sich nur ein, aber irgendwie schien etwas wie Trauer aus Abednegos Haltung zu sprechen. Und auch Furcht.
    Natürlich sagte Villainous seiner Mutter nichts davon. Alles, was nicht direkt sie selbst betraf, interessierte sie nicht. Rabiat schob sie gaffende Erwachsene und ihre kreischenden Kinder beiseite, kochend vor Ungeduld, bis sie ihre Beute zum Greifen nahe vor sich sah.
    Mrs Usage war ein Monstrum von einer Frau, ein wahrer Fleischberg, bei dessen Anblick man sich unwillkürlich fragte, wie viel ein Mensch in sich hineinstopfen musste, um so auszusehen. Vor dieser ungeheuren Leibesmasse konnte man nur überwältigt staunen – so lange, bis einen ein schmerzhafter Hieb

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