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Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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Kapitel
    D ie Wintersonne versank hinter dem Horizont. Povl Usage war verschwunden, aber sein Wunsch war in der Welt wie ein winziger glimmender Funke, der nach und nach größer werden und sich zu einem verheerenden Feuer entwickeln musste.
    Die Kinder hasteten die Küste unterhalb der Klippen entlang. Die Angst trieb sie vorwärts, jede Minute war kostbar. Sie keuchten, die kalte Luft stach in ihren Lungen, aber sie rannten immer weiter.
    Die Felswände ragten starr neben ihnen auf im Zwielicht, doch man konnte hören, dass da etwas in Bewegung kam. Ein Unheil verkündendes Geräusch erfüllte die Luft, ein aggressives Schaben und Kratzen und Knistern, als ob der Körper der Erdhexe sich mit unaufhaltsamer Gewalt in jede Spalte und Ritze drängte, entschlossen, den Fels zu sprengen und ihre Macht aller Welt zu demonstrieren.
    Staubwölkchen pufften auf, Steinchen und lose Erde rieselten die Klippe hinunter.
    »Das klingt nicht gut«, bemerkte Martha.
    »Ja, wenn das so weitergeht, stürzt am Ende die ganze Klippe in sich zusammen«, sagte Henry keuchend. »Zuerst bröseln nur kleine Mengen Gestein weg, aber das unterhöhlt den Fels, und irgendwann kommen dann riesige Erdmassen ins Rutschen.«
    Wie eine ungeheure Gewitterfront zog Povl Usages Wunsch die Küste entlang auf die Stadt zu. Die Kinder waren jetzt schon nahe am Hafen von Wellow. Sie sahen vor sich bereits die Fischerhütten, die am Rand der Bucht standen.
    Der Strand war hier schmaler, sie rannten direkt unterhalb der steilen Felswand dahin. Felicity blickte ängstlich nach oben. Wenn die Klippe abstürzte, würden sie von den Gesteinsmassen erschlagen. Ein großer Sandsteinbrocken löste sich, rutschte und fiel polternd die Wand hinab, wobei er eine Menge Geröll mit sich riss, ehe er auf dem Strand auftraf. Ein dumpfes Rumpeln und Grollen war jetzt zu hören, das aus der Tiefe der Erde aufzusteigen schien. Felicity fühlte, wie der Boden unter ihren Füßen erzitterte. Ihr Magen krampfte sich zusammen.
    Marthas Gesicht war totenbleich. Ihre Schritte wurden langsamer – sie war vollkommen erschöpft.
    »Los, weiter«, schrie Jeb.
    »Nur noch ein kurzes Stück, dann haben wir es geschafft.« Henry nahm Martha bei der Hand und zog sie mit sich. »In der Stadt sind wir in Sicherheit, der Untergrund dort ist stabiler.«
    Ein fürchterliches Krachen und Ächzen hallte durch die Luft. Die Kinder fuhren herum und sahen, wie ein mehrere Meter breites Stück der Klippe abriss und ins Rutschen geriet.
    Felicity spürte die Angst wie eisiges Wasser durch ihre Adern rinnen. Ohne ein Wort drehten sich alle um und flüchteten, sie rannten wie noch nie in ihrem Leben. Felicity spürte das Brennen in ihren Beinmuskeln und das Seitenstechen nicht mehr. Alle Gedanken waren abgeschaltet, sie war nur noch Körper. Die Zeit schien angehalten. Sie kletterten über die mit Seetang bedeckten Felsen am Rand der Landzunge, dabei sahen sie immer wieder ängstlich über die Schulter, als wäre der Teufel hinter ihnen her.
    Und dann traf das abstürzende Stück Klippe donnernd hinter ihnen auf dem Strand auf. Die ganze Luft erzitterte, Gesteinsbrocken flogen nach allen Richtungen. Es war unglaublich, dass feiner weißer Sand derartige Gewalten entfesseln konnte.
    In sicherer Entfernung blieben sie stehen, keuchend, verschwitzt und starr vor Schrecken. Und immer noch war das feine, bösartige Kratzgeräusch zu hören.
    Ein kalter, geruchloser Wind wehte vom Meer her. Er schnitt in Felicitys heiße Wangen wie ein Messer und riss an ihren Haaren. Ihr war ganz schlecht vor Angst: Sie spürte, das hier war nur der Anfang. Keiner sagte etwas, alle waren wie gelähmt vor Furcht und Grauen.
    Sie drehten sich um, stiegen zum Kai hinauf und hasteten weiter. Als sie an der Bibliothek ankamen, blieb Felicity schockiert stehen: Das ganze Gelände war zerrissen und zerklüftet, überall Buckel und Senken und Spalten. Sie fragte sich, wie es überhaupt möglich war, dass das Gebäude selbst der Gewalt der Erdhexe widerstanden hatte. »Um Gottes willen«, flüsterte sie.
    »Es sieht ganz so aus, als hätte es die Erdhexe hauptsächlich auf die Bibliothek abgesehen«, sagte Martha.
    Jeb nickte. »Ich denke, sie will die Geschichten zerstören – so oder so.«
    Felicity rannte zum Eingang und rüttelte an der Tür. »Es ist abgesperrt.« Was hatte das zu bedeuten?
    Henry und Martha kamen angelaufen und klopften gegen die Fensterscheiben. Jeb ging um das Gebäude herum, um zu schauen, ob irgendwo

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