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Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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Licht war.
    Dann ein Geräusch. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss.
    Martha schrie auf.
    Eine unheimliche Gestalt in einem Overall trat aus der Tür. Sie hatte einen Sack aus Segeltuch über den Kopf gestülpt. In den Stoff war ein Sehschlitz geschnitten, den eine Motorradbrille schützte.
    Die Gestalt nahm die Brille ab und zog sich den Sack vom Kopf. Es war Jasper Cutgrass. Seine Haare waren verstrubbelt, sein Gesicht schmutzig. »Bin ich froh, dass ihr hier seid«, sagte er. »Ich habe zugesperrt, damit niemand hier reinkommt und womöglich verletzt wird.«
    Sie gingen hinein. Er zog den Overall aus. Seine Uniform, die er darunter trug, war voller Sand. Die Messingknöpfe, die er immer so blitzblank polierte, hatten ihren Glanz verloren.
    »Der Sand ist wie entfesselt. Er reibt wie wild an der Schrift der Geschichten«, sagte er.
    »Wieso haben Sie sich so komisch vermummt?«, fragte Felicity.
    »Der Sand hat mich angriffen, als ich versucht habe, die Geschichten mit frischer Tinte zu überschreiben. Darum habe ich den Overall angezogen und mir einen Kopfschutz gebastelt.«
    »Er hat Sie
angegriffen
?«, fragte Henry. »Das wird ja immer schöner.«
    Felicity lief es kalt über den Rücken. Es war scheußlich: Überall schwirrten diese Bestandteile der Erdhexe herum.
    Martha fuhr sich nervös mit den Fingern durchs Haar.
    »Ich finde, wir sollten uns die Sache mal ansehen«, sagte Felicity. »Es wird ja wohl nicht allzu gefährlich sein, wenn wir uns ein paar Minuten in dem Raum aufhalten, oder?«
    Mr Cutgrass öffnete die Geheimtür. »Solange ihr die Bücher nicht anfasst, passiert euch nichts.«
    Sie tasteten sich an den kalten Wänden entlang die Stufen hinunter. Am Eingang zum Gewölbe blieben die Kinder vor Entsetzen wie angewurzelt stehen.
    Das Erste, was Felicity wahrnahm, war das Geräusch. Das Unheil verkündend raue Reiben und Schaben und Kratzen erfüllte den ganzen Raum. Und als sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, sah sie, dass jedes Fetzchen Papier von weißem Sand bedeckt war, der sich hektisch wimmelnd und wuselnd bewegte wie schreckliches Ungeziefer. Er bildete keine Wolken wie bei den Sandstürmen, die sie von Abbildungen kannte, sondern er war wie ein unvorstellbar großes Heer von winzigen Lebewesen, die ausgeschwärmt waren, um jedes Buch mit mörderischer Gründlichkeit nach Geschichten zu durchsuchen, die glücklich endeten, und sie restlos zu vernichten.
    »Der Sand kann irgendwie spüren, was im Inneren von Menschen vorgeht, glaube ich.« Jasper musste schreien, um den Lärm zu übertönen. »Er scheint zu
wissen
, dass ich die Geschichten vor der Zerstörung bewahren will.«
    »Sie meinen das, was man früher mit dem Wort
Sympathie
bezeichnet hat?«, fragte Martha. »Diese besondere Verbindung zwischen Wesen, die es ermöglicht, dass das eine
mit
fühlt, was das andere fühlt? Miss Cameron hat das schon immer vermutet, da bin ich mir ziemlich sicher.«
    Jetzt fiel es Felicity wie Schuppen von den Augen.
»Die Hüterin der Erde hatte ein mitfühlendes Herz: Sie empfand die Leiden anderer, als wären es ihre eigenen«,
zitierte sie aufgeregt. »Povl Usage hat gesagt, dass sie mehr Kraft braucht. Das hat er sich vorhin gewünscht und darum ist der Sand jetzt viel aggressiver als vorher.«
    Jasper schaute sie verständnislos an. Die Kinder erzählten ihm, was sie an diesem Nachmittag erlebt hatten.
    »Povl Usage«, sagte Jasper. »Ich habe etwas über ihn in einem Buch gelesen. Er kam mit seiner Familie nicht zurecht, darum hat ihm die Erdhexe angeboten, ihn in ihren Dienst zu nehmen. Wenn ich gewusst hätte, dass er Lehrer an eurer Schule ist!«
    »Könnte er vielleicht der Geliebte der Erdhexe gewesen sein?«, fragte Martha.
    »Nein«, sagte Jasper. »In mehreren Geschichten, die ich gelesen habe, ist davon die Rede, dass der Geliebte ihn nicht mochte.«
    »Kann ich nur allzu gut verstehen«, bemerkte Henry.
    Einer der Stützbalken, die er und seine Brüder aufgestellt hatten, knarzte, und etwas Sand rieselte von der Decke. An der Wand gegenüber zeigte sich im Putz ein Riss, der sich schnell vergrößerte.
    »Nichts wie weg hier«, rief Felicity. Sie flüchteten nach oben in die Bibliothek. Dort standen sie ratlos beieinander.
    »Das macht mir Angst«, sagte Martha nach einer Weile.
    Felicity holte tief Luft. Es wurde höchste Zeit, dass sie endlich etwas unternahmen. Sie sah ihre Freunde der Reihe nach an. »Zuallererst müssen wir den Wunschbrunnen wieder

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