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Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und das steinerne Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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Schlamm.
    »Umkehren bringt nichts«, sagte sie. »Ich bin schon so dreckig, dass es nicht mehr schlimmer werden kann.« Sie zog mühsam einen Fuß aus dem zähen Matsch.
    Kurz entschlossen hob Jeb sie hoch. »Ich trag dich, halt dich fest.«
    »Quatsch, ich bin doch viel zu schwer.«
    Aber Jeb ließ sich nicht beirren. »Ich kann dich doch nicht durch diesen Sumpf waten lassen. Rafe steigt mir aufs Dach, wenn er das hört.«
    Felicity gab nach und legte ihre Arme um seinen Nacken. Jeb schritt vorwärts, ihr Gewicht schien ihm überhaupt nichts auszumachen. Sie hielt den Blick immer starr auf die Kühe gerichtet. Durch ihren Mantel spürte sie seine Körperwärme. »Ich bin froh, dass du wieder da bist«, sagte sie nach einer Weile, um das Schweigen zu brechen. »Aber dir ist bestimmt langweilig, in Wellow ist ja nichts los.«
    »Nein, mir gefällt es.« Sie gelangten jetzt auf trockeneres Gelände. Er setzte Felicity ab. Seine grünen Augen sahen sie direkt an. »Die Leute hier haben mir gefehlt.«
    Felicity wischte ihre Schuhe an einem Grasbüschel ab. »Klar, es war bestimmt ein komisches Gefühl, so weit weg von Isaac zu sein.«
    Jeb schwieg.
Das
hatte er eigentlich nicht gemeint. Er musterte sie nachdenklich.
    Es war schön hier oben. Auf der einen Seite meilenweit sanft gewellte grüne Hügel, auf der anderen das Meer, das in der Sonne glänzte. Es leuchtete smaragdgrün und darüber spannte sich strahlend blauer Himmel. Felicity atmete tief die kalte, würzige Luft ein. Den Blick gesenkt, schritt sie über das weiche Gras, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben.
    In einiger Entfernung sahen sie zwei Gestalten näher kommen. Sie waren nicht schwer zu erkennen: Henry und Martha.
    »Wir haben bei deinem Großvater nach dir gefragt«, sagte Martha, als sie da waren, »aber ihr wart schon weg. Henry hat ein neues Fahrrad bekommen.«
    »Ein gebrauchtes«, bemerkte Henry. »Bertie und Fred haben meinem Vater geholfen, es herzurichten. Mit Fünfgangschaltung.«
    Felicity strahlte. »Toll! Das hast du dir doch schon lange gewünscht.«
    »Ja«, sagte Henry. Es klang ein bisschen lahm.
    Das Gespräch stockte. Felicity fühlte sich unwohl. Auch Jeb wirkte verlegen.
    »Was macht dein Magen?«, fragte Felicity. »Geht’s dir wieder besser?«
    Henry sah sie finster an. »Ich
hab
nicht zu viel gegessen, falls du das meinst.« Er war gereizt – offenbar hatte er diesen Satz schon viele Male wiederholt.
    »Aber ich wollte doch nur –«
    »Da, schaut mal«, sagte Martha. Sie zeigte zum Rand der Klippe. Dort war ein Mann zu sehen.
    Henry fuhr herum. »Er ist beim Wunschbrunnen.«
    Die Gestalt kauerte auf dem Boden. Felicity kniff die Augen zusammen. Der Mann war groß und dünn, hatte kurz geschnittene weiße Haare und trug einen flaschengrünen Anorak.
    »Das ist Povl Usage.«
    Er hielt den Kopf gesenkt, seine Schultern zuckten. Es sah aus, als weinte er. Felicitys Herz krampfte sich zusammen vor Mitleid. Sie erinnerte sich an voriges Weihnachten, als sie selbst sich schrecklich einsam gefühlt hatte.
    »Er gräbt den Boden auf«, sagte Martha alarmiert.
    »Wahrscheinlich will er sich wünschen, dass die alten Zeiten der Gentry wiederauferstehen oder so«, meinte Henry. »Und darum buddelt er das Loch frei, das wir mühsam zugeschüttet haben. Das hat uns grade noch gefehlt.«
    »Er wirkt ganz aufgeregt«, sagte Felicity.
    Sie rannte los. »Aufhören, bitte!«, rief sie. »Das ist gefährlich!«
    Der Lehrer blickte kurz auf, dann machte er weiter.
    Felicity erreichte ihn, dicht gefolgt von ihren Freunden. Povl Usage hatte die Rasenstücke weggerissen und grub die Erde darunter auf. Von tief unten im Schacht war das Rauschen von Wasser zu hören.
    »Bitte lassen Sie das«, sagte Felicity in sanftem Ton. »Das Leben ist manchmal grausam, und natürlich ist die Versuchung groß, sich vom Wunschbrunnen die Lösung aller Probleme zu erhoffen, aber das ist ein Irrtum. Sie würden damit nur sich selbst und anderen schaden.«
    Der Lehrer hob den Kopf. Er war noch blasser als sonst, seine hageren Wangen waren ganz eingefallen. Sein Haar war zerzaust und verfilzt, seine Lippen hatten eine ungesund dunkle Farbe, seine tief liegenden Augen glitzerten kalt.
    »Es werden eine Menge Leute zu Schaden kommen, bevor wir fertig sind«, sagte er leise.
    Felicity starrte ihn an. In ihrem Magen bildete sich ein eisiger Kloß. Dieser Mann hier wirkte ganz anders als der geschwätzige, linkische Einzelgänger, den sie aus der Schule

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