Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Veredlungsgrades als
Beleidigung gilt, besitzen sie keinen blassen Schimmer, wo die Schätze zu heben
sind. Sie folgen ihrem konservativen Instinkt des territorialen Verharrens,
bleiben in der Ruinenstätte und warten auf Almosen.«
»Was man ja von dir nicht behaupten kann.«
»Allerdings. Rom ist mein Garten der Lüste. Es gibt
hier keine Ecke, in der ich mich nicht auskenne, kein Geheimnis, das mir
verborgen bliebe, und keine einzige Delikatesse, die ich nicht schon gekostet
hätte. Ich bin ein Wanderer und il cronista di Roma, ich bin der Marcello
Mastroianni der Schnurrhaarigen. Ich bin Rom! Und dich Francis, du
detektivischer Tourist, werde ich an die Pfote nehmen und in die süßen wie auch
bitteren Aspekte meiner Geliebten einweihen.«
Das keilspitze schwarze Gesicht wirkte dabei
euphorisch, und die grünen Augen strahlten, als steckten dahinter zwei Lampen,
die mit mehr Stromleistung versorgt wurden als ihre Kapazität zuließ. Antonio
schien in der Tat ein Glücksfall für mich zu sein, denn an einen besseren
Führer hätte ich in diesem Moloch wohl kaum geraten können. Zumal ich mich
unausgesprochen und aus reiner Selbstachtung dazu verpflichtet hatte, das
Rätsel der Morde zu lüften, und dabei auf einen Kenner der römischen Interna
angewiesen war.
Trotzdem glaubte ich, daß zwischen Antonios
Lobgesang auf seine Stadt und den von mir vermuteten Umständen seiner
Biographie ein trauriger Abgrund klaffte. War es doch eben diese Stadt gewesen,
in der er das größte Trauma seines Lebens erlebt haben mußte.
Seiner gepflegten Ausdrucksweise und kultivierten
Art nach zu urteilen, erschien es abwegig, daß er ein geborener Streuner war.
Also hatte man ihn wie die anderen ausgesetzt. Welcher verrückte Mensch aber
setzte einen so hübschen Kerl aus, dessen überragende Intelligenz obendrein
nicht lange verborgen geblieben sein konnte? Und warum?
»Gut, gut, ich hab’s kapiert, Antonio«, sagte ich.
»Du liebst Rom mehr als Kabelfernsehen. Aber ich werde den Verdacht nicht los,
daß du in früheren Zeiten durchaus kein Wanderer und il cronista di Roma warst,
sondern ein richtiges Heim besessen hast. Und dieses Heim gehörte einem dieser
wunderbaren Römer. Stimmt’s?«
Prompt brach die Glücksfassade wie eine
Theaterkulisse in sich zusammen. Der seidige Kopf knickte ein, die Augenlider
sanken nieder und verengten sich zu schmalen Schlitzen, und die Schnauze wurde
von einem leichten Zittern erfaßt. Da hatte ich wohl an eine immer noch
schwärende Wunde gerührt.
»O ja, Francis, auch ich lebte früher bei einem
Menschen«, sagte Antonio mit brüchiger Stimme, während er den Kopf von mir
abwandte, damit ich sein desolat gewordenes Gesicht nicht sah. »Er war mein
Signore, mein bester Freund, mein Vorbild. Er war ein echter Römer. Ich weiß
noch, wie er sich immer für den Abend vor dem Spiegel zurechtmachte und mich
nach meiner Meinung fragte – halb aus Witz, halb im Ernst –, ohne zu ahnen, daß
ich ihn auch verstand.
Hochgekrempelte Hemdsärmel mit der Rolex am
Handgelenk oder doch lieber geschlossen und Manschettenknöpfe? Die rote
Brioni-Krawatte oder einfach oben zwei Hemdknöpfe offen? Dann probierte er ein
paar schnittige Anzüge aus, stets mit mir scherzend wie mit einem alten Kumpel.
Ich erinnere mich an den Duft seines Rasierwassers, herb und unaufdringlich.
Nie werde ich die schönen Damen vergessen, die er von seinen nächtlichen
Streifzügen mit nach Hause brachte. Eine jede von ihnen eine kleine römische
Göttin. Und nie vergesse ich die Feste in der Mansardenwohnung, bei denen die
Champagnerflaschen mit dem Messer geköpft wurden und ich der liebkoste
Mittelpunkt war. Ich war der gute Geist des Hauses und das I-Tüpfelchen seines
Lebens.«
»Klingt nach einem Entflohenen aus dem
Naturschutzgebiet für vom Aussterben bedrohte Machos«, sagte ich etwas
ungerührt. »Tut mir leid, Antonio, aber die Beschreibung deines einstigen
Halters hört sich irgendwie nach einem von Ferrari konstruierten Jesus an. Wie
es aussieht, hat er zwischen dem Binden von Brioni-Krawatten und dem Köpfen von
Champagnerflaschen trotzdem noch die Zeit gefunden, dich vor die Tür zu setzen.
Kannst du mir vielleicht verraten, warum?«
»Was für ein Prachtexemplar!« entfuhr es Antonio
plötzlich.
Er riß den Kopf hoch, und ich folgte automatisch
seinem Blick, der in der Ferne den Gassenausgang fixierte.
Obwohl die Dunkelheit die Sicht erschwerte, sahen
wir, wie sich dort ein felines Paar miteinander
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