Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Bissen zu sich, ließen sich vom wohligen
Dämmer aus den Fenstern der altehrwürdigen Häuser um sie herum bescheinen, und
nicht selten streifte eine ausgestreckte Hand liebevoll unsere Rücken.
Verglichen damit kam mir mein Zuhause wie eine sozialistische Wohnkaserne vor.
»Wer sagt denn, daß wir überhaupt irgendwelche
Klinken benutzen müssen, Francis?« erwiderte Antonio mit einem maliziösen
Lächeln. »Und wer sagt denn, daß wir wie gewöhnliche Ochsenköpfe den
Vordereingang nehmen? Glaub mir, il mio amico, ein Restaurant ist wie ein gut
gefüllter Bauch. Die Wahrheit darüber erfährst du aber nicht, indem du den
Bauch besichtigst, sondern den Arsch!«
Endlich erreichten wir unser Ziel. Durch die
Scheiben sah man Polsterstühle, umgeben von Silbergerät und feiner Täfelung aus
der Vorkriegszeit. Leute im edlen Zwirn schoben sich allerlei Schmackhaftes in
den Mund und prosteten einander zu. Kellner mit Zwirbelbärten und bis zu den
Füßen reichenden weißen Schürzen wirbelten um ihre meist südländisch
aussehenden Gäste. Kein Zweifel, dies hier war einer der besseren Läden.
»Folge mir«, sagte Antonio mit einem vielsagenden
Augenaufschlag und verschwand in einer engen Seitengasse. Ich tat wie geheißen,
und nach ein paar Metern befanden wir uns an der Rückseite des Restaurants, in
einem kleinen düsteren Hof. Just in diesem Moment wurde die Küchentür von innen
von einer Hilfskraft aufgerissen. Der Mann wuchtete einen deckellosen
Abfallkübel zu den bereits zahlreich an der Mauer gruppierten Kübeln hinzu.
»Reste!« sagte Antonio, nachdem wir wieder allein
waren. »Das Volk aß das, was die Kardinale übrigließen.
So ist die römische Küche entstanden, aus Resten.
Pagliata, coratella, trippa, lauter Innereien. Sie
sind auch heute noch auf jeder Speisekarte einer römischen Trattoria zu finden.
Eine Armeleuteküche ist sie jedoch trotzdem nicht, eher von reduzierter
Gestalt, mit traditionellen Zutaten und ohne Verkünstelung.«
Er sah mir an, daß ich im Geiste die Stirn
runzelte.
»Keine Sorge, das ist kein Müll, es ist so frisch,
wie es frischer nicht sein kann. Die feinen Menschen, die hier tafeln, sind so
übersättigt, daß sie die Hälfte der Kostbarkeiten auf ihren Tellern zurückgehen
lassen. Also landet das gute Zeug im Abfalleimer. Das ist bei allen edlen
Restaurants der Fall.«
Tja, wenn dem so war … Wir stürzen uns auf das
Verschmähte wie Mitglieder eines Urzeitstammes auf ihre Feinde. Unsere
Hinterpfoten katapultierten uns geradewegs auf die Müllkübel mit dem
überbordenden Kalbsgekröse, den halb angegessenen und perfekt filetierten
Fischen, den Lammeingeweiden, bestehend aus Herz, Bries, Milz und Lunge. Ein
Seitenblick reichte, um bestätigt zu bekommen, daß Antonio die feinen
Tischmanieren ebenso wie ich über Bord geworfen und seine Schnauze in eine Art
Löffelbagger verwandelt hatte, mit dem er sich gnadenlos in die Früchte des
Paradieses bohrte. Ich war nicht mit weniger Eifer dabei. Während aber meine
Zunge die meisterlichen Kochkunststücke zu zelebrieren trachtete, wurde ich von
meinem gierigen Magen unablässig genötigt, sie in einem Affentempo
herunterzuschlingen. Ein Kampf, bei dem mir offengesagt vollkommen gleichgültig
war, wer der Sieger blieb.
Kurzum, noch nie vorher hatte ich Leckerbissen in
solchen Mengen in so kurzer Zeit in mich hineinbefördert.
Nach zirka einer Viertelstunde hatten unsere beiden
Bäuche die Form von bis zum Zerbersten angespannten Blasebälgern angenommen.
Satt und matt ließen wir uns neben den Abfallkübeln nieder, lutschten noch an
dem einen oder anderen Knochen herum und ließen unsere Augen über den
inzwischen sternenübersäten Nachthimmel schweifen. Vor uns erstreckte sich die
finstere Gasse wie ein unendlicher Schlauch, an dessen Ende sich
Hell-Dunkel-Muster in Gestalt vorbeiziehender Passanten abbildeten. Leise
Gitarrenmusik mit Latino-Klängen vermischte sich mit dem Klirren der Gläser.
Antonio rülpste zufrieden. Und weil das exakt mein
gegenwärtiges Befinden ausdrückte, rülpste ich zurück.
»Du hast mich vor dem Verhungern bewahrt, Antonio«,
sagte ich. »Dafür gilt dir mein Dank ewiglich. Ich wundere mich nur, warum die
Kollegen im Largo Argentina nicht nach der gleichen Methode verfahren und an
den Hintereingängen der Edelrestaurants Schlange stehen.«
»Warum, warum – weil sie blöd sind! Obwohl sie in
einer Metropole leben, in der das Wort ›Nahrungsmittel‹
angesichts des hohen
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