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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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gewöhnte und mit den
Phantasmagorien besser umgehen konnte.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange wir unterwegs gewesen
waren, denn das Zeitgefühl war mir unter diesen Umständen vollkommen abhanden
gekommen. Doch endlich erblickte ich fahles Licht am Ende des Tunnels. Kurz
darauf kamen erst die vor uns marschierende Karawane, dann Eloi und ich ins
Freie. In einer kleinen Senke, welche von Sträuchern zugewuchert war, hörte die
Röhre einfach auf. Der zerschlagene Rand der Öffnung und Bruchstücke auf dem
Boden zeugten davon, daß man irgendwann die Hauptleitung des Brunnensystems
brutal gekappt hatte.
    Wir kraxelten die Senke hinauf, und als wir den
Gestrüppvorhang hinter uns ließen, breitete sich im Schein der Mondsichel ein
schier unendlich wirkendes Terrain mit einer ins Kraut geschossenen Wiese vor
uns aus. Mit den sich selbst überlassenen, krüppeligen Bäumen und den hier und
da sich gegenseitig umschlingenden Büschen war es ein beeindruckendes
Landschaftsbild. Gegen den Sternenhimmel am Horizont ragte der Schattenriß
eines Gebäudes mit einem Mansardendach empor, das vermeintliche Horrorhaus.
Einige erleuchtete Fenster waren als glühende Punkte auszumachen.
    Schon nach ein paar Metern machte der Troß der Dudes halt
und bildete eine Traube. Eloi und ich stießen dazu und drängten uns zwischen
den Leibern bis zur vordersten Reihe durch. Natürlich überlagerten die Bilder
von der Ermordung meiner Familie immer noch alles, was ich an Entsetzlichem je
gesehen hatte. Aber der Anblick, der mir jetzt teilhaftig wurde, war durchaus
dazu geeignet, selbst diese widerwärtigen Eindrücke zu übertreffen. In unserer
Mitte im Gras lag ein furchtbar verstümmelter schwarzer Artgenosse. Mit solch
bestialischem Geschick hatte man den armen Kerl zugerichtet, daß es unmöglich zu
ergründen war, wie, womit und in welcher Zeitspanne man ihn in diesen Zustand
versetzt hatte. Wie soll ich sagen, er sah irgendwie zermanscht aus. Der Kopf
hatte sich vom Hals getrennt, so daß man in das Innere der Luftröhre blicken
konnte. Mir wurde schwindlig. Meine Beine verwandelten sich in Gummi, und ich
ließ mich erst einmal nieder -
     
    »Stop! Aufhören! Film anhalten!« rief Junior. Die Glut im
Kamin war längst erloschen, und wäre der durch die Fenster hereinstrahlende
bläuliche Abglanz der inzwischen vollkommen verschneiten Außenwelt nicht
gewesen, hätte das Zimmer in vollkommener Dunkelheit gelegen. Der Frost draußen
konnte uns aber nichts anhaben, hatte sich doch die Wärme des abgebrannten
Feuers tief in der Wohnung eingenistet und würde bis zum Morgengrauen anhalten.
Ganz im Gegenteil dazu machte sich der Frost in meinem Innern durch die
Erinnerungen an die unselige Zeit wieder mit aller Vehemenz breit. Sancta und
Blaubart schlummerten friedlich an meiner Seite, doch ich hatte mittlerweile
das Gefühl, als seien sie ein fernes Echo und das längst Vergangene die düstere
Gegenwart. So sehr steckte ich nun im Damals fest.
    »Solche Schauergeschichten über zermanschte Leichen hast
du mir schon oft erzählt, Paps«, sagte Junior. Der Kerl war immer noch hellwach
wie eine angeschlagene Glocke. Ich hatte, glaube ich, schon erwähnt, daß die
hervorstechendste Eigenschaft der Jugend darin besteht, den Alten unfaßbar auf
den Geist zu gehen. Was mich betraf, war ich durch das stundenlange Erzählen am
Ende meiner Kräfte angelangt und hoffte, daß mein nerviger Sohn sich mit einem
Fortsetzung-folgt-Versprechen zufriedengeben würde.
    »Na und?« erwiderte ich. »Ich hatte halt ein bewegtes
Leben und mußte oft in den Abgrund schauen.«
    »Diesmal stimmt aber etwas nicht, Paps.«
    »Und was, wenn ich fragen darf? Es wäre mir lieb, wenn du
es kurz machen würdest. Ich wollte heute nacht nicht mehr damit anfangen, den
Weltrekord in Schlaflosigkeit zu brechen.«
    »Nun ja, dieser Eloi hat dich ständig zum Kiffen verleitet,
wodurch du sogar von Halluzinationen heimgesucht wurdest. Gleichzeitig aber
gibst du vor, daß du dich an alles en detail erinnern kannst, ja sogar an so
etwas Unappetitliches wie das Innere der Luftröhre einer total entstellten
Leiche. Liegt da nicht ein Widerspruch?«
    »Nö, Sherlock. Wieso?«
    »Vielleicht hat die Wirkung der Droge das von dir Erlebte
ins Groteske verzerrt. Die Eindrücke, die du jetzt aus dem Gedächtnis abrufst,
könnten, wenn nicht gerade total falsch, so doch zumindest ein wenig verfälscht
sein.«
    Ich hätte nun gern einen Spiegel zur Pfote gehabt, um
darin meinen blöden

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