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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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noch ziemlich
aufgewühlt, dauerte es eine Weile, bis meine Augen auf Nachtsichtgerät-Modus
umschalteten. Doch dann konnte ich feststellen, wie exakt Paps' Beschreibungen
gewesen waren, auch wenn inzwischen ziemlich aktualisierungsbedürftig.
    Die vielen Büchertürme, die abgebrannten Kerzen und das
hereingewehte Pflanzengestrüpp waren immer noch vorhanden. Doch im Lauf der
bleischweren Zeit hatten sie sich einer Art Verklumpungseffekt unterworfen.
Irgendwie war alles mit allem zusammengewachsen, wobei das Wachs einer im
Standbild gefrorenen Flut gleich jeden Gegenstand und jeden Winkel durchdrungen
und überlappt hatte. Die Bücher selbst waren zu festgebackenen Gebilden
transformiert; allein ihre Form verriet noch etwas über die einstige Funktion.
Staub, Spinnwebenvorhänge und undefinierbare klebrige Substanzen bedeckten
alles Sichtbare und bildeten einen vermoderten Teppich. Ein kraß übler
Fäulnisgeruch hatte sich fest eingenistet.
    In Anbetracht dieses Schimmelparadieses klappte mir vor
Erstaunen nicht gerade der Unterkiefer herunter, als ich bemerkte, daß sich das
emsige Volk der Mäuse hier häuslich eingerichtet hatte. Die Biester wieselten
überall herum. Unter normalen Umständen war das ein Ansporn, wieder etwas Sport
zu treiben und als Lohn dafür solide Hausmannskost zu erhalten. Doch im Moment
interessierten sie mich nicht im geringsten. Denn ich entdeckte allmählich
außer dem allgegenwärtigen Müll und dem betriebsamen Mäuseverkehr, wonach ich
in Wahrheit gesucht hatte: die Gerippe der Dudes. Sie lagen im ganzen Gewölbe
verteilt, teils vollständig erhalten, teils als verstreute Knochen.
    Paps' Gedächtnis hatte ihn nicht getrogen. Ich konnte zwar
wegen der Bruchstückhaftigkeit mancher Skelette die Anzahl nicht genau
benennen, aber es waren ganz schön viele. Wie morbide Exponate schmückten sie jede
Ecke des Brunnens. Die einsamen Schädelkapseln, Schulterblätter, Wirbelsäulen
und Rippen versetzten mich kurzzeitig in tiefe Trauer. Das Makaberste war, daß
ich selbst das komplett erhaltene Skelett von Madam auf einem der Büchertürme
entdeckte, ja sogar die winzigen Knöchelchen von Francis' ungeborenen Kindern
in dem Knochenhaufen erkennen konnte. Sozusagen meine Halbgeschwister.
    So sehr war ich der Faszination des vergessenen Grabes
erlegen, daß ich zuerst gar keine Gelegenheit hatte, mich zu fürchten oder gar
zu gruseln. Nun aber und so ganz allmählich kam sie doch, die Angst. Denn ich
hatte mit einem Mal das Gefühl, daß meine empfindlichen Lauscher neben dem
unentwegten Fiepen des Mäusevolks noch etwas anderes vernahmen. Ein leises
Atmen irgendwo vielleicht oder die typischen Knistergeräusche, die entstehen,
wenn jemand seine Position nur um einen Zentimeter verrückt. Meine Fellhaare
sträubten sich unwillkürlich. Ein panisches Kopfkreisen bestätigte mir jedoch
nur, was ich schon vorher gesehen hatte: Bücher über Bücher, Kerzenrudimente,
Gestrüpp, Müll und noch mehr Finsternis. So tat ich diese verdächtigen
Geräusche als einen milieubedingten paranoiden Schub ab, wohl auch, um meine
Nerven zu beruhigen. Ich konzentrierte mich auf die Aufgabe, derentwegen ich
die Reise angetreten hatte.
    Ich schlenderte im Brunnen umher und inspizierte die
einzelnen Gerippe etwas genauer. Denn ich hatte eine Theorie. Wenn den
Massenmord an den Dudes tatsächlich ein Killer menschlicher Gestalt mit einem
spitzen Gegenstand, sagen wir mal mit einem Messer oder einem Eispickel, verübt
haben sollte, so war es sehr wahrscheinlich, daß solcherlei Stiche auch Spuren
an den Knochen hinterlassen hatten. Irgendwelche Kratzer, Abschürfungen,
Furchen, schlimmstenfalls sogar Brüche. Das gleiche galt bei einem
monsterartigen Wesen mit Riesenhauern. Jedenfalls konnte ein Artgenosse
aufgrund unserer kleineren Zähne nur bedingt Knochen derart beschädigen, selbst
wenn er gräßlich wütete. Tödliche Fleischwunden ja, augenfällige Schäden am Knochen
nein. Das war meine Theorie.
    Das Resultat meiner Untersuchungen fiel aus, wie ich
vermutet hatte. So penibel ich jedes Gerippe und jeden einzelnen Knochen der
Opfer auch in Augenschein nahm, ich konnte keine auffälligen Kratzer,
geschweige denn Brüche daran feststellen. Höchstens hier und dort einen
vernachlässigbaren Knacks, der sich durch zeitbedingte Materialermüdung
erklären ließ. Was Wunder, denn wie hätte auch ein Mensch in die Höhle
hineinkommen sollen? Indem er über eine halbe Stunde lang bäuchlings durch den
schmalen Tunnel

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