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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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daß man von irreparablen Schäden in seinem ohnehin arg fehlerhaft
tickenden Hirn ausgehen mußte. Die wulstigen Lippen öffneten und schlossen
sich, ohne daß auch nur ein Laut hervorkam. Der Schweiß brach ihm aus. In
Anbetracht dieser seltsamen Reaktion fiel ich unwillkürlich ebenfalls in eine
Art Lähmung. Fünf, sechs Sekunden vergingen so, ohne daß etwas passierte. Dann
lockerte er langsam den Griff um meinen Bauch. Eigentlich hätte ich ihm jetzt
bequem ins Gesicht springen können. Aber eine weise, innere Stimme hielt mich
davon ab.
    »Was hast du eben gesagt?« wollte er schließlich wissen.
    »Ich sagte ...« Jetzt war ich plötzlich der Roboter, dem
man den Saft abgedreht hat. Und nicht nur das. Wie von einem Intelligenzserum
gedopt, erfaßte ich nun zeitverzögert, was bei meinem Gegenüber zu einem
Aussetzer geführt hatte. Die Brisanz dieser Erkenntnis war derart
überwältigend, daß ich an meinem Verstand zweifelte.
    Der alte Mann begann erst unmerklich, dann immer
erkennbarer zu nicken, und er schaute mir dabei mit einer Ernsthaftigkeit in
die Augen, die mich frösteln ließ.
    »Ich sagte, daß du dreißig Jahre im Knast warst«, brachte
ich endlich hervor.
    »Und ich sagte, daß ich nie im Knast war ... ein richtiger
Informationsaustausch ... echte Kommunikation ...«
    »Wir können uns also richtig unterhalten. Unfaßbar! Dreh
diesen verdammten Krach ab!«
    Er setzte mich auf den Boden. Dann ging er von einem
Apparat zum nächsten und schaltete sie nacheinander aus. Nachdem er auch die
letzte Tonarmnadel ratschend vom Plattenteller gerissen hatte, kehrte endlich
vollendete Stille ein. Er zog ein Taschentuch aus einer seiner beutelgroßen
Seitentaschen, wischte sich damit das Blut vom Gesicht und näherte sich mir
bedächtigen Schrittes. Da die Kon-trollämpchen und Displays an den Geräten nun
nicht mehr glühten und in dem Raum auch sonst keine andere künstliche
Beleuchtung existierte, wurde der Saal nur mehr vom schwachen Schein des
Kaminfeuers und den brennenden Kerzen erhellt. Mit seiner ergrauten Mähne,
seiner Riesenstatur und mit dem südländisch wirkenden Gesicht sah der Greis in
der Tat furchteinflößend aus. Und doch strahlte er unterschwellig eine Art
Weisheit, ja ein verborgenes Wissen aus, wie es manche indische Gurus tun. Er
kniete sich zu mir und musterte mich lange.
    »Endlich habe ich dich gefunden«, sagte er dann und
tätschelte liebevoll meinen Kopf. »Jetzt brauche ich den ganzen technischen
Krempel nicht mehr.«
    Auf diese Gelegenheit hatte ich gewartet. Denn ich wollte
wissen, wie er es tat. Hätte mir ein Spiegel zur Verfügung gestanden, dann
hätte ich dabei auch gern meine eigene Physiognomie, insbesondere meine
Maulpartie während des Sprechens studiert. Aber das ging momentan leider nicht.
Das Objekt der Untersuchung war glasklar. Offenkundig konnte der Bursche tatsächlich
mit mir sprechen – und ich mit ihm. Daß unseresgleichen die Sprache der
Menschen verstehen kann, ist ja wohl kein großes Geheimnis. Und daß die
Menschen durch die Jahrtausende währende Deutung unserer Lautäußerungen und die
Beobachtung unseres Verhaltens ein Gefühl dafür entwickelt haben, was uns so
umtreibt, bedarf auch keiner Erklärung. Doch ich wettete meinen Kopf darauf,
daß bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Ohr vernommen hatte, wie ein Mensch mit
einem Tier redet und umgekehrt. Was wir jetzt taten!
    Ich hatte ihn, während er die letzten Worte aussprach,
genau im Auge behalten. Die Worte von seinem Gesicht abgelesen, wäre vielleicht
die passendere Beschreibung gewesen. Denn seine Lippen bewegten sich dabei
kaum. Es handelte sich eher um so etwas wie lautes Denken, einer Kombination
von sichtlichem Gedankenfassen, mimischer Reflexion desselben und halbherzigem
Artikulieren. Vielleicht rührte es daher, daß er etwas schwerhörig war. Weshalb
sollte er sonst ein Hörrohr benutzen? Wer weiß, vermutlich war auch etwas
Ähnliches wie Gedankenübertragung im Spiel. Wie man jedenfalls die Sache auch
drehte und wendete, wir konnten miteinander kommunizieren, in Worten wie von
Mensch zu Mensch oder wie von meinesgleichen zu meinesgleichen, wenngleich auf
eine höchst ungewöhnliche Art.
    »Du willst dich also herausreden?« wollte ich wissen, weil
mir in der merkwürdigen Situation nichts Gescheites einfiel.
    Er machte ein Gesicht wie ein Kind, dem man gerade
offenbart hat, daß Mama und Papa etwas Schmutziges tun mußten, damit es das
Licht der Welt erblickte. Danach wollte er

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