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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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gehörte? Ermüdende Gedanken, die zu Ende zu denken
nach Ende der Ermüdung angebracht waren ...
    »Sorry, Jetlag«, wimmelte ich ihn ab.
    »Macht nichts, hab jetzt eh einen Termin bei Gott«, sagte
er und trat irre kichernd zurück.
    Wir gelangten zum Hauptgebäude, welches meine schlimmsten
Erwartungen übertraf. Ich hatte mir das Innere als einen gefängnisähnlichen Ort
ausgemalt. Das mit dem Gefängnis stimmte, bloß hatte ich nicht ahnen können,
daß hier Zustände wie in den allerersten Anfängen des Gefängniswesens
herrschten. Wir durchquerten einen unendlich scheinenden Korridor mit
spitzbogigem Tonnengewölbe, der rechterpfote von kerkerähnlichen Zellen gesäumt
war. Diese waren fensterlos und beherbergten jeweils nur eine schmutzige
Pritsche, eine zersprungene Waschschüssel und als Abort ein Loch im Boden.
Selbstverständlich war jedes Verlies mit einem individuellen Design gestaltet,
sei es in Gestalt von chaotischen Schmierereien an den Mauern oder nicht minder
verschrobenen, aufgeklebten Collagen aus Zeitungs- und Magazinschnipseln.
Gitterwände mit gurkendicken Eisenstäben dienten sowohl als Eingang als auch
als eine perfekte Überwachungsmethode, um das Treiben der Insassen drinnen im
Auge zu behalten.
    Aber – und dieses Aber hatte es in sich – sämtliche Gitter
standen offen! Die spektakuläre Folge davon konnte man auf dem Korridor
besichtigen. Die Patienten lungerten nicht still und leise herum, sondern
veranstalteten im wahrsten Sinne des Wortes ein wahnsinniges Theater. Die
Irrentruppe bestand aus fratzenschneidenden, wirr monologisierenden
Wortakrobaten, Volksreden an unsichtbare Untertanen haltenden
Möchtegern-Majestäten, Pantomimen, die dadaistische Aufführungen
veranstalteten, und Frauen, die den Verben kreischen und keifen reale
Bedeutung verliehen. Die greisenhaften Leute in Nachthemden waren zu hundert
Prozent unfaßbar häßlich, teilweise entstellten Narben ihre Gesichter und
Körper, sie stanken nach Fäkalien und pafften nonstop Selbstgedrehte. Es war
tatsächlich die Hölle!
    Doch als sei diese eh schon im Übermaß vorhandene
Konfusion nicht genug, wuselten zwischen den alten Radaubrüdern und -Schwestern
auch noch Vertreter meiner Art herum. Ich konnte einen durchtrieben aussehenden
schwarzen Orientalen ausmachen, dessen schmaler Körper so langgezogen war wie
ein Ofenrohr, einen fetten schneeweißen Perser, viele Angehörige der Rasse Rex
mit ihrem lockigen, plüschigen Fell und der charakteristischen »römischen«
Nase, aprikosenfarbene Burmas und jede Menge Promenadenmischungen. Sie schienen
mit den Irren in einem ständigen Dialog, um nicht zu sagen, in einer innigen
Beziehung zu stehen. Das ewige Miauen, Jaulen, Fauchen und andere,
undefinierbare Laute vermischten sich mit dem Geschnatter der Insassen, und
alles zusammen erwuchs sich zu einer unerträglichen Kakophonie.
    Zunächst konnte ich mir diese eigenwillige Konstellation
von Mensch und Tier ausgerechnet in einem Sanatorium, wenn auch in einem skandalös
verwahrlosten, nicht erklären. Dann jedoch regten sich Erinnerungsfetzen in
meinem Kopf, die wohl aus dem Studium von medizinischen Büchern im
Brunnenbecken hängengeblieben waren. Soweit ich mich entsann, war darin die
Theorie vertreten worden, daß Tiere im Krankenhaus- und Seniorenheimalltag
nützliche Dienste zu erweisen vermögen. Der Kontakt mit der animalischen
Kreatur zeigte bei den Patienten vielerlei positive Wirkungen. Das Immunsystem
wurde gestärkt, die Heilung schritt schneller voran, es trat eine allgemeine
Beruhigung ein, und das Gefühlsleben insgesamt erfuhr eine Bereicherung.
Weshalb allerdings solch fortschrittliche Methoden ausgerechnet in einer
Horror-Klapsmühle zur Anwendung kamen, blieb ein Rätsel.
    Als die Irren uns Neuankömmlinge erblickten, ließen sie
schlagartig von ihren verrückten Aktivitäten ab. Es war unverkennbar, daß sie
Refizul als eine Art Star betrachteten, dessen Rückkehr unter ihnen große
Freude auslöste. Einer nach dem anderen kamen sie zu ihm, auch das Tiervolk,
streichelten über seinen aus der Zwangsjacke wie ein Puppenkopf mit Perücke
herausragenden, silbrig ergrauten Schädel und redeten wirr auf ihn ein.
    Der schwarze Orientale, ein ziemlich nervöses Bürschchen,
sprang Refizul gleich auf die Schulter und fummelte vor Begeisterung mit den
Pfoten an ihm herum. »Mensch, Alder, daß ich das noch erleben darf«, sagte er
und schleckte ihm mit einer fast roten Zunge übers Gesicht. »Gestern noch

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