Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
gefiel.
»Das weiß ich. Jeder, der mir einen Knochen anschleppt, will das.«
»Dann kannst du dir auch sicher vorstellen, um welchen Gefallen es sich handelt.«
»Die Schwingungen, die von eurer Aura ausgehen, verraten mir, daß ihr auf der Suche seid.«
Na fabelhaft, wahrscheinlich würde dieses Spielchen den ganzen Abend so weitergehen. Nach dem Prinzip von Trial-and-Error, dem Kunstgriff jeglicher Wahrsagerscharlatanerie, würden Hektor und Andromeda sich gegenseitig die Bälle zuspielen, der eine, indem er unbewußt Andeutungen zum Thema lieferte, die andere, indem sie durch sehr allgemein gehaltene »Weissagungen« den anderen zur Bestätigung seiner eigenen Phantasien aufmunterte. Ich fragte mich, was ich hier mit einem Kläffer, dem die Schwermut das Hirn weggebrannt hatte, und einer kaputten Fifiline, die sich für das Orakel von Delphi hielt, eigentlich trieb. Hatte ich nichts Besseres zu tun, zum Beispiel wichtigen Hinweisen nachgehen? Aber das war es ja eben, ich hatte keine Hinweise.
»Wir suchen nach einem Mörder, Andromeda, nach einem bestialischen Massenmörder«, sprach Hektor bedächtig. »Schon ein kleiner Wink würde uns weiterhelfen, die winzigste Spur.«
Andromedas Schleckerei am Knochen wurde nun sichtlich unaufmerksamer; eine fremde Macht schien Stück für Stück von ihr Besitz zu ergreifen und sie mit einer geheimnisvollen Essenz zu füllen, die auch ihr Äußeres umformte. Eine konzentrierte, von einem tranceartigen Zustand herrührende Strenge breitete sich auf ihrem Gesicht aus, das wie durch einen Filmtrick den Anschein der Heilung erhielt. Die ganze Physiognomie wirkte plötzlich straffer, schnittiger, die Milchaugen weiteten sich, die trockene lange Nase bekam ihre natürliche Feuchtigkeit zurück, so daß der schwarze Spitz wieder zu leuchten begann. Und obwohl sie weiterhin wie ein hingeworfenes graues Bündel in ihrem Verschlag lag, hatte man nun tatsächlich den Eindruck, eine bedeutende Magierin in ihrem imposanten Salon zu bewundern. Freilich konnte ich schlecht beurteilen, ob diese Wandlung zu ihrem üblichen Showrepertoire gehörte. Der davon ausgehenden Faszination konnte ich mich dennoch kaum entziehen.
»Ich habe von diesem Mörder gehört«, sagte Andromeda mit einer merklich rauher gewordenen Stimme. »Unheil ist sein ganzes Sinnen und Trachten, Blut sein Lebenselixier und der Tod sein bester Kamerad!«
Durch die in den letzten Zügen liegende Sonne, welche die Luft in einen feurigen Gazeschleier verwandelte, sah es nun so aus, als sitze Andromeda in einem Hochofen und bebe in der Hitze ihrer Explosion entgegen. Gleichzeitig schien sie vor geballter Energie von innen her zu leuchten.
»Francis ist der Überzeugung, daß dieses Monster von auswärts kommt, Andromeda«, sagte Hektor, der sehr gefaßt war, weil er eine derartige Metamorphose wohl schon des öfteren erlebt hatte. »Er glaubt, daß es sich um eine Art Geisterwesen handelt, einen Dämon, und daß dieser Dämon auf eine mysteriöse Weise wie eine Krankheit eingeschleppt worden ist. Kannst du eine Vision heraufbeschwören, in der er vorkommt?«
»Ja, ich sehe durch ihn.«
»Was, du siehst ihn?« entfuhr es mir hysterisch, womit bewiesen war, daß ich mich von dem Hokuspokus längst hatte einwickeln lassen. Ich kannte mich selbst nicht mehr wieder. Andererseits, studierte ich nicht jede geschlagene Woche gewissenhaft mein Horoskop in diesen dämlichen Illustrierten, die sich mein dämlicher einsamer Gustav als Ersatz für menschliche Konversation en masse besorgte? Selbstverständlich schüttete ich mich hinterher darüber stets vor Hohnlachen aus, erhob mich mittels zynischer Betrachtungsweise über die anderen Milliarden Horoskopleser und schüttelte den Kopf über soviel Aberglauben. Aber gelesen hatte ich die blöden Schicksalswetterberichte am Ende doch immer, oder?
»Nein, ich sehe ihn nicht. Ich sehe durch seine Augen, ich sehe, was er sieht«, sprach Andromeda, während ihre weißen Augen gänzlich die Farbe des tiefen Abendrots annahmen.
»Und was siehst du?« wollte Hektor wissen.
»Einen Wald, einen Urwald. Tropisch ist es hier, Dunst steigt aus dem Pflanzendickicht auf, das die Lichtlanzen der Morgensonne durchlöchern. Jetzt ein Gebrüll. Aus Hunderten von Kehlen. Nein, es ist ein Gesang, ein Chor, rhythmisch und sehr aggressiv. Trommeln begleiten diesen Kriegssingsang und anfeuernde Rufe. Schwarze Männer, halb nackt, treten von einer Seite in Erscheinung, mit Speeren und messerartigen
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