Felidae 4 - Das Duell
einschließlich dem Elektronenmikroskop en miniature, hatten sich in Luft aufgelöst. Zwei der Monitore waren abgeschaltet, auf dem dritten in der Mitte war ein Text zu sehen. Obwohl ich mir denken konnte, was darin stand, sprang ich auf den Tisch und nahm ihn in Augenschein, sorgsam darauf bedacht, nicht mit dem Blut in Berührung zu kommen. Schnell fühlte ich mich in meiner Vermutung bestätigt.
Daraufhin machte ich mich über die Aktenreihen her und riß eine Kladde nach der anderen von den Regalen herunter. Nachdem ich in die ersten zehn hineingeschaut hatte, war mir klar, daß daraus alle Unterlagen, die in irgendeinem Zusammenhang mit Animalfarm standen, entfernt worden waren. Einige der Akten enthielten rein gar nichts. Mit den Computerfestplatten und CD-Roms verhielt es sich bestimmt nicht anders.
Nach dem Ende der Beschau ließ sich der Hergang des Verbrechens ohne den leisesten Hauch eines Zweifels rekonstruieren: Die Skimaskenmänner und wahrscheinlich auch Typen, die eine noch härtere Gangart pflegten, hatten das Glashaus am späten Abend gestürmt. Agatha wollte in ihrem Rollstuhl fliehen, vielleicht als man gerade Gromyko in die Mangel nahm. Ein aussichtsloses Unterfangen. Man erwischte sie im Park und schoß ihr ins Genick. Mit derselben Waffe brachte man den Doktor um, und zwar so, daß es wie Selbstmord aussah. Die Mörder hinterließen auf dem Computer einen fingierten Abschiedsbrief, der in steinerweichenden Worten beschrieb, daß der Tod auf Raten der geliebten Lebensgefährtin nicht länger auszuhalten gewesen sei. Deshalb habe man sich zum gemeinsamen Selbstmord entschlossen. Selbst dem mißtrauischsten Polizisten hätte ein solches Motiv eingeleuchtet. Anschließend fingen die Eindringlinge alle Tiere ein und säuberten das Haus von tierischen und allen anderen verdächtigen Spuren.
Adrian und seine zusehends vergreisenden Freunde mußten sich also inzwischen in der Manufaktur befinden. Man würde sie der Reihe nach töten und vielleicht in Salzsäure auflösen, und mit ihnen die böse Vergangenheit von Animalfarm. Und ich hatte die Katastrophe nicht abgewendet! Wie hätte ich es auch können, selbst wenn mir das gegenwärtige Wissen vorher zuteil geworden wäre? Gegen Pistolen hätte ich wohl kaum eine Chance gehabt. Und würde ich keine Chance haben, wenn ich mich jetzt zum Ort der Massenhinrichtung aufmachte, um den Henkern vielleicht in letzter Minute in den Arm zu fallen. Doch wer sagte denn, daß Francis' Hirnkasten ausschließlich für die Vernunft reserviert war? Und konnte es wirklich einen so grausamen Gott geben, der einen alten Knacker wie Francis verschonte, während er gleichzeitig eine Nervensäge, einen unerträglichen Dandy, einen Spötter und Blödmann erster Güte, kurz einen jungen Gott der Salzsäure anheimgab? Vorzeitige Vergreisung war die eine Sache, doch zu sterben, ohne je gelernt zu haben, worauf es im Leben wirklich ankommt, eine ganz andere. Ich mußte zumindest versuchen, der Bande das Leben zu retten. Auch wenn ich mir diesmal ziemlich sicher sein konnte, daß ich mit dieser Entscheidung auch mein Leben als Greis vorzeitig beenden würde.
14.
I n der Düsternis des stillgelegten Versorgungsrohrs war nichts als das Hallen meiner Schritte zu vernehmen. Sie führten mich vom Keller der Manufaktur hinauf zu Maximilians aufwendig restauriertem Reich . Es war trocken und sauber in meinem Tunnel und derart geräumig, daß sogar ein Mensch hindurchgepaßt hätte. Hinter mir lag ein mörderischer Spurt durch die Gärten und den felsigen Hügel hinauf, drangsaliert von dem wütenden Sturm, der mir mittlerweile zum vertrauten Begleiter geworden war. Eigentlich waren meine Brennzellen restlos entladen. Die Entkräftung ging so weit, daß ich weder Hunger noch Durst verspürte. Mein Körper glich jetzt dem Glühfaden einer Lampe, der am hellsten brennt, bevor er gänzlich erlischt. Allein der Wille trieb mich voran, meinen Artgenossen in ihrer letzten und schwersten Stunde beizustehen, selbst wenn dies bedeutete, daß auch mein letztes Stündlein geschlagen hatte.
Allmählich sah ich Helligkeit am Ende des Rohrs. Und hörte Stimmen – ihre Stimmen! Ein herzzerreißendes Gejaule drang an meine Ohren, ausgestoßen von vielen Kehlen, ein Chor der Gequälten und Geschundenen, ja wie der Gesang der Toten. Panik erfaßte mich, und ich lief schnell auf den Ausgang zu. Ich streckte den Kopf aus dem Loch, lugte um die Ecke und erblaßte. Meine schlimmsten
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