Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
schon das Gleichgewicht zu verlieren begann und leicht nach vorne kippte. »Na gut, dann will ich es mal versuchen.«
Ich stellte mich auf die Hinterbeine und wollte mich gleich mit einem Kopfsprung in mein Flugabenteuer stürzen. Offen gesagt konnte ich es gar nicht abwarten, so sehr war ich mittlerweile von der Idee besessen, über dieser Zauberlandschaft meine Kreise zu ziehen. Die letzte Sicherung in meinem Schädel, die mich vor dem Fall bewahrte, brannte endgültig durch.
»Bevor du die Starterlaubnis bekommst, Francis, hat jemand anderer den Vortritt«, vernahm ich da eine vertraute Stimme hinter meinem Rücken. Gleich danach wurde Sigmund
mit einem Ruck an mir vorbei nach vorne geschleudert. Er vollführte letzte verzweifelte Anstrengungen mit den Pfoten, um sich am Rand festzukrallen, verlor dann aber doch die Balance und stürzte mit einem grellen Schrei in den Abgrund. Der Sturzflug, den eigentlich ich hätte antreten wollen, dauerte ziemlich lange, während der Meister der Hypnose immer kleiner und kleiner wurde, am Ende so klein, dass ich gar nicht mehr richtig ausmachen konnte, wo er nun unten genau aufschlug. In diesem Moment kam ich wieder zu mir, erlangte die Herrschaft über meine sieben Sinne und riss mich zurück.
Pi stand vor mir.
6
Pi hatte etwas Unnahbares, ja völlig Emotionsloses an sich. Doch das traf nicht wirklich den Kern der Sache, weil diese Wirkung allein von seinem Äußeren ausging. Er sah nun einmal, wie soll ich sagen, total aus der Art geschlagen aus. Das speckige schwarze Kurzhaarfell legte sich wie eine Latexhaut über seinen hyperschlanken Körper, der zwar alle Merkmale der Felidae aufwies, dennoch den Eindruck machte, als sei er mit einem Bildbearbeitungsprogramm auf die reine Kontur reduziert worden. Irgendwie schien er nicht von dieser Welt zu sein.
»Wir haben nicht viel Zeit. Sie werden bald hier sein.« Sein Tonfall war so unaufgeregt, er hätte auch sagen können: »Der Tee muss noch ein bisschen ziehen.«
»P-Pi, was machst d-du denn hier?«, stotterte ich eher, als dass ich wirklich Verständliches von mir gab. »Bist du nicht ein Produkt meiner Fantasie?«
»Das sind zwei Fragen«, entgegnete er in seiner unnachahmlichen Gelassenheit. »Antwort 1: Ich bin hier, um dich zu beschützen. Um ein Haar hättest du wirklich noch das Fliegen gelernt und würdest nun anstatt dieses Hypnotiseurs dort unten liegen. Den auf unsere Art bezogenen
Spruch mit den neun Leben halte ich unter wissenschaftlichen Aspekten für höchst unglaubwürdig. Antwort 2: Ich bin in der Tat ein Produkt deiner Fantasie. Und doch bin ich real. Kommt drauf an, wie man so sagt.«
»Aber wieso hast du Sigmund in den Abgrund gestoßen?«
»Weil er es sonst mit dir getan hätte. Und weil er zu ihnen gehört hat.«
»Und wer sind … sie ?«
»Ach Francis, stell nicht so viele Fragen und sieh zu, dass du von hier verschwindest. Sie müssten jeden Augenblick da sein.«
»Okay, eine andere Frage. Wer bist du? Gehörst du zu diesen anderen oder zu, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, zu uns ?«
»Das ist sehr kompliziert. Ich bin ein Diplomat und bewege mich zwischen beiden Welten. Doch mein Gefühl sagt mir, dass du die entscheidendste Rolle bei dieser Geschichte spielen wirst.«
»Wieso?«
»Nun, es gibt noch andere, viele sogar, die dein Schicksal teilen. Aber ich glaube, nur du kannst den Rat überzeugen.«
»Was für einen Rat?«
»Zu spät«, sagte er irgendwie traurig, obwohl seine distinguierte Art selbst solch minimalste Gefühlsäußerungen kaum zuließ. Dabei schwenkte er den Kopf seitlich zu der sich zum Designerhaus hochschlängelnden Straße. Ich folgte seinem Blick und erspähte Ungeheuerliches. Dort strömte gerade eine Horde von meinesgleichen geradewegs in unsere Richtung. Es mussten so um die Hundert sein, allesamt
schwarz wie die Nacht und mit gelb glühenden Augen. Ich sah nur ein pechschwarzes Gewusel, aus dem pechschwarze Spitzohren hervorstachen und strahlend weiße gebleckte Zähne. Das Ganze hatte etwas von einer finsteren Giftwolke, der man nicht entrinnen kann. ( 2 )
Ich wandte mich atemlos zu Pi um. »Sind die meinetwegen hier?«
Er zuckte mit den Schultern. »Leider ja.«
»Aber wieso? Was habe ich denn angestellt?«
»Du hast die Wahrheit erkannt. Und Sigmund hat seinen Job vermasselt.«
»Wer sind diese schwarzen Brüder?«
»Das werden sie dir bestimmt in Kürze selbst mitteilen, Francis. So leid es mir tut, doch ich muss mich jetzt selbst in
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