Felipolis - Ein Felidae-Roman
deine verfahrene Situation nicht dadurch ändern wirst, indem du den Kopf einfach in den Sand steckst. Ich kann nicht beurteilen, ob du einer konkreten Gefahr ausgesetzt bist. Aber nach Lachen ist mir nicht gerade zumute, wenn ich mir die Sache aus der Nähe betrachte.«
»Verstehe.« Sie wischte sich mit einer Pfote die Tränen vom Maul und schaute mich aus ihren Goldaugen an. »Und da du ja ab jetzt mein Ratgeber sein wirst, werden wir mit der Riesenkohle eine Futtermittelfabrik kaufen und glücklich und vollgefressen bis an den Rest unserer Tage leben.«
Donnerwetter, so viel Sarkasmus hätte ich diesem zarten Wesen gar nicht zugetraut. »Gut getroffen, Domino. Doch ehe du mich solcher Niederträchtigkeiten verdächtigst, solltest du vielleicht hinunter in den Park gehen und die vielen anderen Brüder und Schwestern kennenlernen, die deine nicht vorhandenen Milliarden in der Fantasie schon längst verpulvert haben.«
»Weshalb sollte ich ausgerechnet dir vertrauen?«
»Keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, noch vor einer Stunde hätte ich mir nicht in meinen kühnsten Albträumen vorstellen können, dass ich mich auf so einen Ärger einlasse. Ärger habe ich nämlich im Laufe meines Lebens tonnenweise gehabt. Meine Schwäche ist nun einmal unbezähmbare Neugier. Und die wird mir, das ist so gewiss wie Heiligabend stets auf den 24. Dezember fällt, irgendwann auch das Genick brechen.«
»Oh, wie bescheiden.« Jetzt lächelte sie mich listig an, und ihre strahlend weißen Schnurrhaare richteten sich dabei schräg nach oben, was sie für mich noch begehrenswerter machte. »Der Punkt geht an dich, Francis. Ich hatte schon die Befürchtung, du würdest mir mit diesem Mist von wegen selbstloser Ritter und dergleichen kommen.«
»Aber ich bin selbstlos, Domino. Nun ja, auch hemmungslos, was das sich Einmischen in fremde Angelegenheiten betrifft.«
»Und was verordnen Sie mir für mein Leiden, Doktor?«
»Nun, die Herstellung der Medizin gestaltet sich schwieriger als gedacht. Vor einer halben Stunde habe ich die ganze Geschichte noch für einen Witz gehalten, dessen Pointe ich dir nur zu erklären bräuchte, damit du dich nicht mehr ängstigst. Aber dann ist dieser Typ aus dem Fenster geflogen, und da …«
»Es ist noch jemand gestorben?« Schlagartig verschwand der Schalk aus ihrer Miene. Sie machte sich wieder klein und presste sich gegen die Kistenwand, gerade so, als könne sie sich unsichtbar machen. »Das habe ich gar nicht mitgekriegt.«
»Wie solltest du auch, wenn du die ganze Zeit hier oben das Dachbodengespenst spielst? Ich hatte kurz die Gelegenheit,
die Aufzeichnungen der Überwachungskameras zu sichten. Das Kuriose ist, dass der Kerl auf die gleiche Weise das Zeitliche gesegnet zu haben scheint wie Adelheid Kant. So wie es aussieht, ist er gestolpert und die Treppe hinuntergefallen. Obwohl die Kameras just in diesem Moment eine seltsame Bewegung vollführt haben …«
»Wer war es denn?«
»Leider kenne ich mich mit dem Menschen-Ensemble in diesem Hause nicht aus. Ein untersetzter, kantiger Kerl im schwarzen Anzug und mit einer feuerwehrroten Krawatte um den Hals. Grau melierte Haare. Er ist durch die Fensterscheibe gekracht und unten auf einen Wagen geknallt.«
»Ich weiß, wer das war!« Domino löste sich ein wenig aus ihrer Angststarre und trat näher an mich heran. »Er war der Seniorchef einer der größten Anwaltssozietäten aus New York. ›Simon & Simon‹, nennen die sich, glaube ich. Die Truppe wurde von Adelheids Verwandtschaft engagiert, um mit einer juristisch wasserdichten Strategie dieses groteske Testament anzufechten. Wofür ich ihnen übrigens die Daumen drücke. Sie sind mit einem Zehn-Mann-Team eingeflogen, und zwar bereits zwölf Stunden nachdem das Testament eröffnet worden war.«
Ich legte mich flach hin, leckte ausgiebig den rechten Pfotenrücken und wischte mir damit übers Gesicht. Und fing wieder von vorne an. Das Ritual kühlte meinen überhitzten Kopf und schärfte meine Konzentration. Draußen hatte sich die Sonne von dieser Hälfte des Planeten verabschiedet und im Dachstuhl unergründliche Finsternis hinterlassen. Durch die Fenster sah man einen vollendeten Sternenhimmel. »Ich möchte von dir gerne mehr über diesen Staranwalt erfahren,
Domino«, sagte ich. »Aber davor hätte ich doch etwas über den Ursprung dieser unglaublichen Geschichte gewusst. Wie ist Adelheid überhaupt auf die blödsinnige Idee verfallen, dir dreißig Milliarden zu
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