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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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einer Kettensäge geputzt, Mann.«
    Jon sagte nichts, aber er schien plötzlich sehr still zu sitzen. Er hatte nach einem Bleistift gegriffen. Jetzt lagen beide Hände flach auf dem Tisch, und er sah mir ins Gesicht. Er schaute bekümmert drein. Ich öffnete im Geiste die Schublade eines Aktenschranks und legte diesen Blick darin ab.
    »Ich habe früher mit Kettensägen jongliert«, sagte ich im Plauderton. »Es sieht gefährlich aus, aber man muss einfach im Training bleiben. Rich, haben Sie mal Stift und Papier?«
    »Ja, klar«, sagte er. Er fand den Stift in seinem aufgeräumten Schreibtisch und einen Bogen Notizpapier, der neben seinem Drucker lag. Er schob mir beides über den Tisch zu. Ich nahm den Stift und schrieb die Symbole auf, die der Geist mir in jenem denkwürdigen Moment gezeigt hatte – notiert auf einer herausgerissenen Buchseite, die gegen die Innenseite eines Wagenfensters gepresst wurde. ПОМОГИТЕ МНЕ
    Ich drehte den Bogen Papier um und schob ihn zu Rich zurück.
    »Ist das Russisch?«, fragte ich
    Er musterte das Blatt, wobei seine Augen ein wenig größer wurden. »Ja«, sagte er.
    »Was heißt das?«
    Er sah mich an, ein verstörter, suchender Blick. »SOS«, sagte er. »Es bedeutet ›Helft mir!‹.«
    »Danke! Das war es, was ich wissen musste.«
    Ich nickte allen zu und ging hinaus, diesmal den Flur hinunter zu Peeles Büro.
    *
    Peele war am Telefon, als ich eintrat, und redete von Produktivität und ihren verschiedenen Definitionsweisen. Ich nahm ihm gegenüber Platz und sah ihn schweigend an, während er fortfuhr. Der Blick und das Schweigen entfalteten ihre Wirkung. Er sah mich nicht direkt an, aber ein eindrucksvoller Blick wirkt durch etwas anderes als durch direkten Kontakt. Nach nicht einmal einer Minute raffte er sich zu einer schwachen Entschuldigung auf und sagte, er werde zurückrufen. Dann legte er auf und warf mir einen mikrosekundenlangen gereizten Blick zu.
    »Sie haben ein Problem«, sagte ich, »und ich denke, es könnte ein anderes Problem sein als das, das Sie Ihrer Meinung nach haben.«
    »Mister Castor!«, platzte er heraus. »Das war der Joint Museums Trust! Ich hatte gerade ein wichtiges … ich war damit beschäftigt …« Ihm fehlten für einen Moment die Worte, und er erwiderte beinahe meinen Blick. »Ich schätze es ganz und gar nicht, dass Sie unangekündigt hereinschneien und meine Zeit verschwenden!«
    »Das tut mir aufrichtig leid«, sagte ich mit nichts in der Stimme, das man als Aufrichtigkeit hätte missverstehen können. »Ich dachte, Sie wollten in der Geistangelegenheit auf den neuesten Stand gebracht werden.«
    Wenn ich erwartet hatte, das würde ihn zum Schweigen bringen, so hatte ich mich geirrt. Peele war zutiefst entrüstet, und er brauchte ein Ventil.
    »Sie kommen nicht so voran, wie ich erwartet habe«, sagte er und klang, als stünde er vor Empörung kurz vor einem Herzinfarkt. »Tiler war gestern Morgen hier, um wegen des Chaos, das Sie am Dienstagabend veranstaltet haben, eine offizielle Beschwerde gegen Sie vorzubringen. Ich habe ihn überredet, es nicht zu tun, aber es war ein sehr unangenehmes Gespräch. Ich hoffe, Sie haben einige positive Fortschritte zu berichten.«
    »Nein«, antwortete ich. »Aber ich kann einige negative Fortschritte melden – mit anderen Worten, ich konnte ein paar Dinge ausschließen. Sehen Sie, ich ging bisher von falschen Vermutungen über Ihren Geist aus. Zum Beispiel, dass er beziehungsweise sie an die russische Sammlung gebunden ist. Aber das trifft nicht zu, oder?«
    Jetzt sah Peele mich wirklich an – für den Bruchteil einer Sekunde, dann richtete sich sein Blick wieder auf seine Schreibtischplatte. »Trifft nicht zu?«, fragte er nach einer Pause, die lang genug war, um bis drei zu zählen.
    »Nein. Sie kommt aus einer viel späteren Periode – nämlich aus der Gegenwart –, und das wirft ein ganz anderes Licht auf ihre Anwesenheit hier. Ich suche jetzt nach einer anderen Erklärung.«
    Das sollte leicht drohend klingen und vielleicht einige weitere Informationen aus Peele herauskitzeln, falls es etwas herauszukitzeln gab. Aber wie Strategien das gelegentlich taten, ging diese völlig in die Hose. Seine Lippen wurden schmal wie Klingen. »Mister Castor«, wollte er wissen, »warum suchen Sie überhaupt nach einer Erklärung?«
    Ich versuchte, die Frage zu parieren, statt sie zu beantworten. »Ich bin Profi«, sagte ich todernst. »Ich komme nicht nur und mache sauber, sondern ich muss auch den

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