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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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sagte ich.
    Ich ging über den Bahnsteig zurück und durch eine der vielen Türen zum Busbahnhof. Über eine Betontreppe vor mir gelangte ich in einen Fußgängertunnel unter der Euston Road. Ich bog um eine Ecke und wartete.
    Ich hörte sie, ehe ich sie sah. Mit klappernden High Heels kam sie die Treppe herunter. Sie erreichte die Ecke und prallte fast mit mir zusammen. Ihre nussbraunen Augen, dank unfachmännisch aufgetragenem Make-up groß wie die eines Pandas, wurden vor Schreck riesig. Es war Rosa. Nun, da ich sie aus nächster Nähe sah, war ein Irrtum ausgeschlossen.
    »Wollten Sie mit mir über etwas reden?«, fragte ich sie.
    Ich war nicht sicher, was ich erwartet hatte, aber es war ganz gewiss nicht das, was ich bekam. Rosa griff in ihren Mantel und zog ein Steakmesser heraus. Es sah in dieser Kulisse beunruhigend und unpassend aus.
    Einen Augenblick später wurde es noch um einiges schlimmer, nämlich als sie einen ungestümen Schritt vorwärts machte und versuchte, es mir in die Brust zu stoßen. Ich sprang zurück, und die Klinge zuckte vor mir durch die Luft. Rosa verlor beinahe das Gleichgewicht, fing sich jedoch und startete einen zweiten Versuch.
    »Sie haben es schon wieder mit ihr getan!«, rief sie mit einem Akzent, der tschechisch oder russisch klang. »Schon wieder! Sie haben es wieder mit ihr getan! Sie! Er hat mir gesagt, dass Sie es waren!«
    Beim dritten Angriff versuchte ich, ihr Handgelenk festzuhalten, aber sie befreite sich und erwischte mich fast mit einem Rückhandstich, der praktisch aus dem Nichts kam. Sie war so mager! Meine Hand hatte sich für einen kurzen Augenblick um ihren Unterarm gelegt, und fast nichts gegriffen. Aber der Hass auf mich, der sie offensichtlich antrieb, verlieh ihr eine hektische Kraft, und sie stürzte sich abermals mit einem Wutschrei auf mich.
    Diesmal versuchte ich nicht, sie festzuhalten. Ich schlug ihr das Messer aus der Hand. Ich hatte ihr nicht wehtun wollen, aber sie gab ein dumpfes Schluchzen von sich, stolperte zurück und umklammerte ihr Handgelenk. Ich beförderte das Messer mit einem Tritt außer Reichweite in den Tunnel, dann hob ich die Arme und spreizte die Hände, um ihr zu signalisieren, dass ich keine Gefahr für sie war.
    »Ich habe niemandem etwas getan«, sagte ich. »Aber ich würde gerne wissen, was ich getan haben soll und wer Ihnen gesagt hat, ich sei es gewesen. Wenn Sie mir das erklären würden, dann wüssten wir, wo wir stehen.«
    Sie funkelte mich an, während sie weiter ihr Handgelenk umklammerte. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Messer, dann hastete sie zur Treppe. Ich holte sie nach zwei Schritten ein und legte einen Arm um ihre Körpermitte. Ich neigte mich zur Seite, während sie um sich schlug und trat, denn ich musste die Beine von den todbringenden High Heels fernhalten.
    »Bitte«, sagte ich. »Rosa. Erzählen Sie mir, worüber Sie so wütend sind! Verraten Sie mir, was ich getan haben soll!«
    Sie erstarrte plötzlich in meinen Armen und erschlaffte. Sie drehte sich halb um, und ihr Kopf sank seitlich auf meine Schulter. Gleichzeitig atmete sie mit einem ängstlichen Schluchzen aus. Sie sackte gegen mich und zwang mich so, ihr Gewicht zu tragen, während ihr Körper sich gegen meinen presste.
    Verdutzt lockerte ich meinen Griff – und sie warf sich im günstigsten Augenblick zurück, sodass ihr Hinterkopf mit brutaler Wucht gegen meine Nase krachte. Ich fiel nach hinten gegen die Tunnelwand, und sie war weg. Als ich mit meinen tränenden Augen wieder etwas erkennen konnte, war von ihr nichts mehr zu sehen.
    Mit pulsierenden Kopfschmerzen und um einiges heftiger verletztem Stolz schleppte ich mich die Treppe zur Straße hinauf und warf einen Blick in beide Richtungen. Nichts. Selbst mit ihren fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen legte die Kleine ein erstaunliches Tempo vor.
    Die Schmerzen in meinem Kopf wurden schlimmer und ließen meinen Magen fast rebellieren. Ich setzte mich auf ein Mäuerchen, um mich zu sammeln und zu orientieren. Von Frauen aufgemischt zu werden schien eine typische Begleiterscheinung dieses speziellen Jobs zu sein. Wenigstens war Cheryl ein wenig sanfter mit mir umgegangen.
    Ein Gedanke stieg durch die Schmerzwogen an die Oberfläche und tanzte wie eine Gummiente auf ihnen, fröhlich, wie nur eine abstrakte Tatsache es in einer Welt intensiver physischer Qual sein konnte. »Sie redete nur von Rosen«, hatte Farhat mir erzählt, als ich sie über den Geist ausfragte, »immer nur von

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