Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
mir auf halbem Weg entgegen.
»Haben Sie Ihre Schlüssel bei sich?«, wollte ich ohne Einleitung von ihm wissen.
»Meine was?« Er war verunsichert.
»Ihre Schlüssel zum Archiv. Haben Sie sie dabei?«
»Ja«, sagte er. »Ich habe sie bei mir.« Er sah mich wachsam und angespannt an und bot das Bild eines Mannes, der überzeugt werden wollte, ehe er sich auf irgendwelche zweifelhaften Aktionen einließ. »Worum geht es?«
»Es geht um viele Dinge. Aber sagen wir zuerst, dass es um einen Kleptomanen geht, der nichts gegen den einen oder anderen Russen hat.«
Richs Lippen verzogen sich, und er musterte mich mit einem fast ulkigen Hundeblick.
»Scheiße«, sagte er völlig fassungslos. »Sie meinen …? Wissen Sie, ich habe auch schon ein- oder zweimal gedacht, dass – Scheiße!«
»Das Head of Steams ist noch offen«, sagte ich. »Dort erkläre ich Ihnen alles.«
Er folgte mir gehorsam über den Betonplatz zu dem bizarren kleinen Themen-Pub, der dort in einer Nische residierte, aber wir verpassten die letzte Runde um fünf Minuten und blieben trocken, als wir uns setzten. Ich holte den Laptop aus der Tasche und stellte ihn auf den Tisch. Rich starrte erst ihn, dann mich an. »Ich glaube, man sollte lieber ein wachsames Auge auf Sie haben, Castor«, sagte er ein wenig verkniffen. »Ich habe mir deshalb fast in die Hose gemacht. Die Hälfte der Einträge sind noch nicht ins System übertragen. Ich war immer noch dabei, mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich Alice diese Neuigkeit beibringen sollte, ohne von ihrem Wutanfall hinweggefegt zu werden.«
Er zog das lose eingewickelte Paket auf seine Tischseite hinüber, als verspürte er das Bedürfnis, seinen Besitzanspruch damit augenfällig zu signalisieren.
»Ich hatte nicht viele Möglichkeiten«, sagte ich. »Ich wusste, dass etwas Seltsames im Gange war, aber ich konnte es nicht beweisen. Ich musste einen Freund hinzuziehen, von dem ich annahm, dass er mir bei der Aufklärung behilflich sein könnte.«
»Und?«
»Es ist Jon Tiler«, sagte ich.
Rich lachte nur. »Niemals«, protestierte er.
»Doch«, widersprach ich ernst. »Er benutzt ein drahtloses Media-Pad, weil er seine eigene Tastatur bei Ihrem Gerät nicht verwenden kann.«
»Was, ein Media-Pad? Soll das ein Scherz sein?« Rich wollte es nicht glauben. »Damit kann man doch nur auf DVDs zugreifen. Es erlaubt keine vollständige alphanumerische Eingabe.«
»Er fügt keine Daten hinzu oder ändert sie. Er löscht sie nur.«
Er verarbeitete diese Information stumm und mit ständig wechselndem Gesichtsausdruck. Sein anschließender Kommentar war knapp und eindeutig.
»Der Bastard!«
»Begreifen Sie?«
»Natürlich begreife ich das. Wenn er meine Aufzeichnungen löscht, ehe ich sie hochlade, gibt es keinen Eintrag im System, mit dem man sie vergleichen kann. Niemand merkt, das irgendetwas fehlt.«
»Das hat ihn wahrscheinlich dazu verleitet, viele Einträge in so kurzer Zeit zu entfernen.«
»Wie viele genau?«
»Etwa zweitausend, vielleicht ein paar mehr, vielleicht ein paar weniger.«
Rich zuckte zusammen. »Er hat uns alle verarscht«, murmelte er. Dann kam ihm ein Gedanke. Genau genommen waren es zwei. »Aber wie schafft er das Zeug aus dem Archiv, und was hat das mit dem Geist zu tun?«
»Die zweite Frage stelle ich einstweilen zurück. Was die erste betrifft, ist es gar nicht so schwierig, wenn man frech genug ist. Er wirft die Stücke aus einem Fenster im dritten Stock hinunter aufs Flachdach. Dann, so glaube ich, geht er irgendwann abends runter und sammelt alles ein. Alle Tresorräume sind auf dieser Seite des Gebäudes, sodass es unterhalb des dritten Stocks keine Fenster gibt, von denen aus man das Dach überschauen kann.«
»Mein Gott!« Richs Reaktion schwankte zwischen Wut und Bewunderung. »Ich dachte schon, Sie würden mir erzählen, er habe ein hohles Holzbein oder so. Frank wird einen Schlag kriegen. Wenn Jeffrey einen Schuldigen sucht, dann fängt er damit beim Empfang an.«
»Augenblick, da ist noch mehr. Ich sagte, die russische Sammlung habe ihn zu seinem Spiel verleitet; aber er macht das schon seit drei Jahren. Immer wenn etwas Neues geliefert wird, zweigt er für sich etwas ab. Wann hat Tiler im Bonnington angefangen?«
Rich lachte hohl. »2002«, sagte er. »Kurz vor Jahresende, glaube ich, denn sie haben seine Einstellung mit dem Beginn des neuen Schuljahrs abgestimmt.« Er schüttelte den Kopf. »Dieser gottverdammte Mistkerl.«
Ich stand auf, die Hände in den
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