Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
ist ein hiesiges Talent. Sie sind wahrscheinlich auf dem Weg zur Arbeit an seinem Büro vorbeigekommen …«
»Ich sagte Ihnen doch, ich habe noch nie von einem Exorzisten namens McClennan gehört!« Peele klang jetzt erregt und indigniert – und es war nicht die Art von Zorn, die man einsetzt, um eine Lüge zu kaschieren, und die mir bestens vertraut ist. Aber ich konnte das Gesicht kaum verwechselt haben. Der Archivgeist war mit Gabe McClennan zusammengetroffen, und zwar auf kürzeste Entfernung. Ein anderer Exorzist war dort tätig gewesen, und der Geist war noch immer da. Wenn nicht Peele, dann hatte jemand anders versucht, den Geist exorzieren zu lassen. Warum?
»Gut, vergessen Sie’s«, sagte ich zu Peele. Ich würde noch einmal darauf zurückkommen, wenn es die Zeit erlaubte, aber es sah nicht so aus, als würde ich in diesem Augenblick mehr erfahren – und ich hatte Besseres zu tun, als meine Kraft damit zu vergeuden, mich an Strohhalme zu klammern. »Wie ist Ihre Verabredung in Bilbao verlaufen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
Peele war sich des Bruchs bewusst, aber er konnte dem Ablenkungsmanöver nicht widerstehen. »Sehr gut. Wirklich sehr erfolgreich. Ich hoffe, in den nächsten Tagen eine gute Nachricht zu erhalten – eine Nachricht, die die Verbindung zwischen dem Bonnington und dem Guggenheim-Museum festigen wird und für beide Institutionen einen Gewinn bedeutet. Aber ich muss mehr über Ihre Fortschritte wissen. Alice sagt …«
»Ausgezeichnete Fortschritte, Mister Peele. Besser, als ich je erwartet hätte. Tatsächlich konnte ich soeben eine falsche Spur beseitigen, die einen schwächeren Exorzisten zwei Tage lang aufgehalten hätte. Entschuldigen Sie, dass ich Ihren Vormittag gestört habe. Ich melde mich später.«
»Eine falsche Spur …?«, wiederholte er verwirrt. Aber ich legte auf, ehe er das in eine Frage umwandeln konnte.
Die Wolkendecke war dicker denn je wieder aufgezogen, steingraue Stützpfeiler, die über der Stadt hingen wie Mauerwerk, das mitten im Zusammenbrechen gestoppt und in der Schwebe gehalten wurde. Ich fuhr mit der U-Bahn zum Leicester Square und wanderte dann die Charing Cross Road hinauf, ehe ich in westlicher Richtung nach Soho abbog.
Irgendetwas ging im Archiv vor, über das ich im Unklaren gelassen wurde – das gefiel mir nicht. Ich war wie ein kleines Kind, das unbeaufsichtigt durch den Straßenverkehr stolperte, im letzten Moment zurückgerissen worden, ehe ich mir das Genick brach oder Schlimmeres, und das gefiel mir noch weniger.
Das Schlimmste war, dass ich wusste, was mich gerettet hatte, und das war eine bittere Pille.
Gabe McClennan hatte ein Büro in der Greek Street und nannte es auch so, ohne sich zu schämen. Die Schilder im Parterre lauteten FOTOMODELL, INDISCHE KOPFMASSAGE und GABRIEL P. McCLENNAN, SPIRITUELLE DIENSTLEISTUNGEN. Die Haustür stand offen, daher ging ich hinein, aber Gabes Tür war verschlossen, und es herrschte eine klamme, lastende Stille. Das Fotomodell und die Masseuse erledigten wahrscheinlich den größten Teil ihrer Arbeit während der Nachtschicht, aber Gabes Laden hätte eigentlich jetzt geöffnet sein müssen, wenn er es überhaupt jemals gewesen war. Andererseits, nur der sollte einen Stein werfen, der selbst regelmäßige Bürostunden einhielt. Ich klopfte mehrfach, nur für alle Fälle, erhielt aber keine Antwort.
Dann eben später. Weil ich dieses Puzzle jetzt, wo ich damit angefangen hatte, verdammt noch mal gleich lösen würde – selbst wenn ich einige Teile mit einem Kugelhammer einschlagen müsste. Ja, ich hätte einfach die Melodie spielen und wie der Rattenfänger das Geld einsacken können, aber ich war wohl doch nicht die Ratte, für die ich mich selbst hielt. Jedenfalls war es aus Gründen, die ich nicht näher untersuchen wollte, plötzlich wichtig für mich geworden, wenigstens grob zu wissen, womit ich es hier zu tun hatte. Nennen Sie es Berufsethik. Oder nennen Sie es, wie Sie wollen.
Ich hatte drei Orte auf meinem Reiseplan und hatte den gesamten Tag dafür vorgesehen. Das mochte ein wenig verzagt klingen, da sie sich alle in Nord-London befanden, aber mein erster Anlaufhafen war die Planungsabteilung in der Camden Town Hall. Man ließ eigentlich die Hoffnung niemals fahren, aber man steckte sie schon mal in die Hosentasche.
Wieder in King’s Cross hatte ich das Gefühl, ich sei nie weggewesen. Das Stadthaus sah aus wie eine Kulisse aus einer Doctor Who -Folge, und bis zu einem
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