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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Abfall türmte sich dort an der Hauswand bis zu einer Höhe von etwa drei Metern auf – und der höchste Punkt befand sich in direkter Nähe eines Fensters im ersten Stock, das ebenso wie die Tür herausgesprengt worden und nur noch ein gähnender Schlund war und der Nacht freien Zugang gewährte. Die einzige Frage war, ob der Berg aus schwarzen Abfallsäcken, ausrangierten Kühlschränken und radlosen Fahrradrahmen mein Gewicht tragen würde.
    Ich erstieg vorsichtig die unteren Ausläufer der Müllhalde und wünschte mir im Stillen, eine Taschenlampe mitgenommen zu haben, damit ich sehen könnte, wohin ich trat. Die Abfallsäcke gaben nach und quietschten unter mir, aber sie rutschten nicht weg, und ich konnte das Gleichgewicht halten. Schritt für Schritt, sehr langsam und mich seitwärts bewegend, so dass ich stets auf einem Bein festen Stand hatte, erklomm ich die Steilwand. Es gab einen heiklen Moment, als die gesamte Masse unter meinem Gewicht einige Zentimeter nachgab und ich beinahe ausrutschte. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich der Gebäudewand bereits so weit genähert, dass ich mich vorbeugen und mit den Händen für einen Moment an ihr abstützen konnte, bis der Abfallberg sich erneut ausbalanciert hatte.
    Danach gelangte ich ohne weitere Verzögerung zum Fenster, setzte mich auf die Fensterbank, schwang die Beine über den Sims und war im Haus.
    Ich wollte schon von der Fensterbank rutschen und in den stockdunklen Raum dahinter treten, als natürliche Vorsicht mich zuerst ein Bein senken ließ, um den Boden zu testen. Dies erwies sich als kluge Vorsichtsmaßnahme, denn es gab nichts, worauf ich hätte stehen können. Der Fußboden des Raums musste während des Feuers eingestürzt sein, daher gab es unter mir nichts anderes als einen vier Meter tiefen Abgrund und möglicherweise einen gebrochenen Fußknöchel. Oder zwei.
    Ich blieb auf dem Sims sitzen und wartete, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die Dunkelheit war natürlich nicht vollkommen. In dieser Höhe drang mehr Licht von den Straßenlampen durch die Bäume, und das Innere des Raums hellte sich nach ein oder zwei Minuten mit einem matten, orangefarbenen Licht auf. Es reichte aus, um mir zu zeigen, dass die Tragbalken überlebt hatten, die Bodenbretter jedoch nicht. Ich konnte auf einem Balken zur Tür balancieren und nachschauen, ob es noch Treppen in dem Haus gab.
    Es war trotzdem keine allzu angenehme Aussicht, aber ich hatte keine besseren Ideen. Während ich mein Gewicht auf einen Tragbalken verlagerte, ließ ich die Fensterbank los und konnte mich im Gleichgewicht halten. Diese Expedition entwickelte sich allmählich zu einer Lachnummer.
    Der Raum war nicht sehr groß. Drei Schritte brächten mich zur Türöffnung und zur tiefen Dunkelheit dahinter. Ich machte den ersten Schritt ohne Komplikationen, dann den zweiten. Der dritte wurde problematisch, weil der Balken unter mir hörbar knackte und sich ein wenig verlagerte. Ich strich Plan A und machte einen Satz in Richtung Tür, fand Halt am Türrahmen, als der Balken in der Mitte brach und begleitet von einem prasselnden Regen verkohlter Holzsplitter in die Tiefe stürzte.
    Auch auf der anderen Seite der Türöffnung hatten sich die Bodenbretter in Wohlgefallen aufgelöst, so dass ich mich an einen dicken Pfosten klammerte, in der Mitte verkohlt, aber offensichtlich noch stabil und tragfähig, während meine Beine über einem Abgrund baumelten.
    »Du kannst loslassen«, sagte eine barsche Stimme von unten. »Etwa zweieinhalb Meter unter dir ist ein Zementboden. Solange du auf den Füßen landest, sollte für dich alles okay sein. Wenn du dein Gewicht ungünstig verlagerst, brichst du dir schlimmstenfalls ein Bein, aber ich denke, das ist der Preis, den du fürs unbefugte Betreten zahlen musst.«
    »Meinen Sie – Sie könnten mir helfen?«, keuchte ich leicht außer Atem. Ich bemühte mich um äußerste Höflichkeit.
    Die Stimme erzeugte einen kehligen Laut, der wohl ein Lachen sein sollte. »Ich denke, du solltest tun, was man dir geraten hat«, sagte sie. »Wenn du noch länger dort herumhängst wie eine chinesische Laterne, verhelfe ich dir zu ein paar Löchern, damit mehr Licht herausdringt.«
    »Welches Licht?«, brachte ich mühsam hervor, während ich mich weiterhin krampfhaft festhielt.
    Die Stimme seufzte, lang und tief und leicht aufgeraut. Dann sagte eine andere Stimme, bei deren Klang sich die Haare in meinem Nacken aufstellten: »Gib ihm etwas Licht,

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