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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Dad.« Es war die Stimme eines kleinen Mädchens, wie aus weiter Ferne und leise, aber absolut klar. Abbies Stimme. Ich drehte den Kopf zur Seite, um über die Schulter zu blicken, aber es war noch zu dunkel, um im Raum unter mir irgendetwas erkennen zu können.
    Etwas kratzte scharrend an etwas anderem, und ein Neonstrich wurde in die Dunkelheit gezeichnet und blühte abrupt zu einer Zündholzflamme auf. Das Licht wurde kleiner, flackerte und wurde für einen kurzen Moment von zwei gelb-weißen Augen reflektiert. Dann, als die Kerze aufflammte und ihr matter Schein die Szene erhellte, schnippte Peace das Zündholz weg. Es erlosch, während es zu Boden fiel.
    Er lag ein paar Schritte links von mir auf dem Boden unter einer Decke, die über ihn gebreitet war. Und er zielte mit dieser verdammten Pistole auf mich. Vielleicht erleuchtete die Kerze das ein oder andere Detail des Raums unter mir, doch aus irgendeinem Grund achtete ich ausschließlich auf die Pistole.
    »Lass dich fallen«, forderte Peace mich abermals auf. »Ich verliere hier unten allmählich die Geduld.«
    Ich ließ mich fallen, mehr oder weniger in gerader Haltung, und schaffte es, das Gleichgewicht zu behalten, als ich landete. Die Pistole blieb die ganze Zeit auf mich gerichtet, zumindest nahm ich an, dass sie es tat. Auf jeden Fall zielte sie genau auf meine Brust, als ich mich aufrichtete und zu Peace umdrehte, um ihn wieder anzusehen.
    Seiner äußeren Erscheinung nach war es ihm offenbar seit unserer Begegnung an Bord der
Collective
sehr schlecht ergangen. Eine Wunde mit ausgefransten Rändern teilte sein Gesicht. Sie verlief von seiner linken Schläfe über den Nasenrücken zur rechten Wange. Sie war wie ein heraldischer Schrägbalken und in einem derart tiefen Rot, dass es bei dem herrschenden Licht schwarz erschien. Das restliche Gesicht um die dunkle Linie war milchweiß. Die Hand, die die Pistole hielt, schien leicht zu zittern, als kostete es ihn große Mühe, mit der Waffe zu zielen.
    Abbie stand hinter ihm, teilweise im Schatten verborgen. Sie war selbst wenig mehr als ein Schatten. Das Kerzenlicht drang durch sie hindurch und brach sich an der rauen Oberfläche der Backsteinwand mit ihren körnigen weißen und rußschwarzen Linien. Sie sah mich neugierig an – aber völlig ruhig, ohne ein Anzeichen von Furcht. Angesichts der Art und Weise ihres Todes war es beeindruckend. Viele Geister konnten sich nicht von den Emotionen befreien, die sie empfanden, wenn sie die Grenze überschritten. Der Moment ihres Todes besiegelte ihr Schicksal und sorgte für ihre ewige Ruhe. Oder auch nicht.
    Weil ich danach suchte, entdeckte ich das goldene Funkeln an Peaces Handgelenk. Ich konnte die Umrisse nicht genau erkennen, aber ich wusste, was es war. Wie auch schon vorher trug er Abbies goldenes Medaillon als Armband am rechten Handgelenk. Er ging kein Risiko ein, wieder von ihr getrennt zu werden.
    Der Raum war völlig ausgeweidet, die Wände und der Fußboden schwarz verkohlt. Er war völlig leer bis auf die nötigsten Biwak-Utensilien, die Peace aufgestellt hatte: einen Calor-Gaskocher, einen Reisekoffer und einen Eimer als Latrine. Ein säuerlicher Geruch nach altem Schweiß und frischem Schmerz lag in der Luft. Darüber, aber ohne ihn völlig zuzudecken, schwebte der Duft von Sandelholzrauch.
    Ich hob die Hände mit gespreizten Fingern, um zu zeigen, dass sie leer waren.
    »Sie wissen, wer mich engagiert hat?«, fragte ich.
    »Wahrscheinlich besser als du«, antwortete Peace mit harter Stimme. In diesem Punkt hatte er mir wirklich etwas voraus.
    »Ich arbeite nicht mehr für diese Leute.«
    Die Pistole und die Hand, die sie festhielt, zitterten immer noch kaum wahrnehmbar wie ein kräftiger Ast an einem windigen Tag. Aber sie war noch immer auf mein Herz gerichtet. »Genau das würde wahrscheinlich auch ich sagen«, stellte Peace fest, »wenn ich dort stünde, wo du gerade stehst. Da ich gerade davon rede, ich denke, du solltest dich hinsetzen. Und zwar auf deine Hände. Und wenn ich es mir richtig überlege, zieh zuerst deinen Mantel aus und wirf ihn rüber zur Wand. Ich fände es nicht so toll, wenn du irgendwelche Überraschungen hervorzauberst, während wir uns unterhalten.«
    Ich schlüpfte langsam und so wenig bedrohlich wie möglich aus dem Mantel. Ich hatte mittlerweile genug über Peace gehört, um zu wissen, dass er seine Drohungen ernst meinte. Abbie beobachtete alles in absolutem Schweigen – einem Schweigen, das nur Tote

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