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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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der sich mit den Fingernägeln mühsam einen Berghang hinabzieht. Ich konnte mich nicht schon wieder in die Autozeitschrift vertiefen, daher stützte ich mich mit den Ellbogen auf die Fensterbank und schaute rüber nach Highgate Hill, wo die Sonne in extremem Zeitlupentempo unterging und den Himmel über dem Grab von Karl Marx so rot aufleuchten ließ, dass sogar er seine Freude daran gehabt hätte.
    Vielleicht war dieser rote Himmel eine Art Omen – mit der Deutung war ich jedoch eher vorsichtig. Kurz bevor die Sonne den Horizont berührte, ertönte so etwas wie ein göttliches Händeklatschen, gefolgt von einem windspielartigen Klirren berstenden Glases.
    Überall im Haus gingen die Feuermelder los und natürlich auch der vor meiner Tür, der jedes andere weiter entfernte Geräusch übertönte. Ich spürte jedoch die Schwingungen rennender Füße. Dann, unmittelbar danach, ertönten laute Rufe draußen im Korridor. Ich hörte irgendeine gebellte Drohung oder Warnung, die abrupt abgeschnitten wurde, als etwas mit genügend Wucht gegen die Tür prallte, um die obere Angel herauszubrechen.
    Die Tür neigte sich ein paar Zentimeter nach innen, dann ließ ein zweiter heftiger Stoß sie in den Raum fallen und haarscharf an meinem Gesicht vorbei zu Boden krachen. Einer der uniformierten Polizisten begleitete sie auf ihrem Weg abwärts, offensichtlich bewusstlos, obgleich seine glasigen Augen noch halb geöffnet waren. Auch wenn es der Beamte war, der sein Kleingeld vor mir auf den Boden geworfen hatte, so dass ich auf allen vieren herumkriechen musste, um es einzusammeln, verspürte ich einen Anflug von Mitleid. Aber das ging schnell vorbei.
    Die Werwölfe, Zucker und Po, stiegen über den Körper. Zucker hatte seine menschliche Form angenommen – oder das, was bei ihm als menschliche Form durchging. Po war ein monströser Fleischberg. Die Reste eines zerfetzten Hemds hingen hier und da in Streifen von seinem massigen Oberkörper herab. Eine unmögliche Ansammlung gelbweißer Fangzähne prangte in seinem Gesicht und zog meine Blicke derart zwingend an, dass alle anderen Merkmale verschwammen, während er an mir vorbeiging, um sich zu vergewissern, dass der unglückliche Cop in allernächster Zeit nicht mehr auf die Beine kam.
    Zucker bedachte mich mit einem furchterregenden Grinsen.
    »Wir waren gerade in der Nähe«, sagte er. »Ich dachte, wir schauen mal kurz herein.«
    »Und ich habe keinen Kuchen, zu dumm«, murmelte ich.
    »Wir essen keinen Kuchen. Musst du noch irgendetwas mitnehmen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hätte liebend gern meine eigenen Kleider zurückgehabt, aber ich hatte keine Ahnung, wo Basquiat sie deponiert hatte. Ich musste wohl ohne sie auskommen.
    Po beugte sich drohend über mich, und Zucker warf ihm einen warnenden Blick zu. »Kennst du diesen olympischen Wettbewerb, wo die Leute ganz schnell gehen?«, wollte er von mir wissen.
    »Ich habe schon davon gehört.«
    »Nun, genau das wirst du jetzt tun. Wenn du rennst, dann wird mein Freund dich niederstrecken, dir auf den Kopf treten und die Gedärme aus dem Leib reißen. So was macht er gern. Aber wir sind in Eile. Also – so schnell du kannst, aber ohne zu rennen.«
    Zucker machte kehrt und verließ den Raum. Ich folgte, und Po bildete die Nachhut wie eine wandelnde Mauer. Außer dass Mauern meistens Graffiti und keine Wirbelsäulen, Fangzähne und geifernde Schnauzen haben.
    Der andere Cop lag zusammengesunken im Korridor. Die verstreuten Seiten einer rosafarbenen Rennzeitung entlarvten seine laxe Dienstauffassung. Nicht dass seine Chancen viel besser gewesen wären, wenn er die
loup-garous
hätte kommen sehen. Ich hatte den Verdacht, dass man etwas in der Größenordnung einer Haubitze brauchte, um Po auch nur leicht abzubremsen.
    Der Alarm übertönte noch immer alles andere. Von irgendwoher kam mir der Gedanke, dass es sich um ein routinemäßiges Notsignal handelte, aber als wir die kurze Treppe am Ende des Korridors erreichten, erkannte ich, dass das Gebäude tatsächlich in Flammen stand. Zumindest war das Stockwerk unter uns voller Rauch, der in sichtbaren Schwaden in der Luft lag, und es herrschte ein ätzender Geruch, der einem jede Freude am Atmen nehmen konnte.
    Wir gelangten in einen offenen Bereich mit Stühlen und Sesseln – offenbar eine Wartezone für eine der Spezialabteilungen des Whittington. Zucker zögerte, dann deutete er zum anderen Ende des Raums und schlug diese Richtung ein. Ich folgte ihm halb rennend, halb

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