Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
uns durch die engen Straßen schlängelten, so dass sich der
loup-garou
an eine Haltestange klammern musste, um nicht umgeworfen zu werden. Irgendwie ließ ihn das um einiges menschlicher erscheinen. »Du redest mit niemandem hier drin, auch nicht mit mir. Reden ist dir nur gestattet, wenn dir eine direkte Frage gestellt wird. Okay? Nick einfach.«
Ich zuckte die Achseln. Es kam mir fast drollig vor, mit einer Pistole in Schach gehalten zu werden, während Po neben mir hockte wie ein Sack voller Muskeln mit einem Satz dekorativer Zähne.
»Das war kein Nicken«, sagte Zucker streng.
»Sie haben nicht ›Simon sagt‹ gesagt«, erklärte ich.
Sallis verpasste mir einen Fußtritt in die Rippen, aber trotz ihrer Drohungen und ihres betont brutalen Auftretens hatten sie eindeutig den Befehl, mich weder tot noch allzu ramponiert abzuliefern. Darauf verließ ich mich – nämlich auf die Tatsache, dass Gwillam mir noch einige Fragen stellen wollte, ehe er eine endgültige Entscheidung hinsichtlich meiner Beseitigung traf. Andernfalls hätte ich mehr auf mein Benehmen geachtet und versucht, einen besseren Eindruck zu hinterlassen.
Ich hatte reichlich Zeit nachzudenken, während wir mit halsbrecherischem Tempo durch die einbrechende Dunkelheit rasten. Es hatte natürlich gar nicht gebrannt. Die
loup-garous
hatten lediglich ein paar Rauchgranaten aus dem Krankenwagen geschleudert, als sie durch die großen Panoramafenster in der Fassade des Gebäudeblocks mit der Notaufnahme gerauscht waren. Der ätzende Geruch stammte von einem Cocktail aus Formaldehyd und Kohlenmonoxid – und vielleicht auch Treibgasen, wenn sie die verdammten Dinger tatsächlich aus einem Granatwerfer abgefeuert hatten.
Eigentlich logisch. Die Anathemata würden niemals etwas so Unüberlegtes tun, wie ein Krankenhaus in Brand zu setzen – aber gezielt Panik zu erzeugen, gehörte durchaus zu ihrem Maßnahmenkatalog. Falls während der dadurch ausgelösten Massenflucht tatsächlich jemand den Tod finden sollte, würde Gwillam sicherlich das entsprechende Formular ausfüllen und veranlassen, dass für das oder die armen Opfer eine Messe gelesen würde. Worauf man sich bei den Katholiken stets verlassen konnte, war ihr organisatorisches Geschick.
Aber dies waren natürlich
Ex
-Katholiken: als Organisation geächtet und als Individuen exkommuniziert. Wozu machte sie das? Zum päpstlichen Äquivalent des
Mission Impossible
-Teams, vielleicht. Ganz sicher zu Fanatikern. Derart überzeugt, für das Gute zu kämpfen, dass sie wahrscheinlich die Befehle ihrer eigenen Anführer, den Kampf zu beenden, ignorieren würden. Das machte das, was ich hier tat, gefährlicher und zweifelhafter.
Fanatiker sind unberechenbar und tun gerne das, was man am wenigsten von ihnen erwartet. Sie betrachten die Welt unter einem völlig anderen Aspekt als diejenigen, die als normal gelten, und das muss man stets im Hinterkopf behalten, wenn man versucht, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Noch besser wäre es, man gibt sich von vornherein geschlagen und versucht es gar nicht erst.
Ich hatte Gwillam nur deshalb angerufen, weil mir keine anderen Möglichkeiten einfielen und weil ich Basquiat nicht gut genug kannte, um ihr zu trauen. Vielleicht war sie vernünftig genug, die Wahrheit zu erkennen, wenn sie ihr ins Gesicht sprang, aber vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall würde ich mein Leben nicht darauf verwetten; oder Abbies Seele. Oder meinen eigenen Hintern, was das betraf. Auch ein cleverer Cop war immer noch ein Cop mit allem, was sich zwangsläufig daraus ergab.
Wir wurden langsamer, beschleunigten dann wieder. Dieser Prozess wiederholte sich während der nächsten Minuten mehrmals. Selbst mit der Sirene und dem Blaulicht, das wahrscheinlich eingeschaltet war, um uns Platz zu verschaffen, konnten wir gegen den Londoner Verkehr nur wenig ausrichten. Irgendwann, als wir in einen Stau gerieten, den wir auch mit unserer geliehenen moralischen Autorität nicht umgehen konnten und der uns ein nervtötendes Kriechtempo aufzwang, spannte Zucker sich plötzlich, und Po gab einen Laut von sich, der zwischen einem zähneknirschenden Fluch und dem gequälten Jaulen einer Katze angesiedelt war. Ich wusste, was es bedeutete, und es lieferte mir einen groben Hinweis darauf, wie weit wir gekommen waren. Es versetzte mich auch in Staunen, welche Qualen die
loup-garous
zu ertragen bereit waren, um ihren Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Wir überquerten den Fluss. Es musste für sie
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