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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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gehend. Ich wollte nicht, dass Po mich von hinten niedertrampelte, und noch weniger wollte ich, dass er mich im Geiste als Gummiknochen betrachtete.
    Vor uns erschienen drei Fahrstuhltüren. Zucker drückte bei allen auf den Abwärts-Knopf, und die mittlere Tür glitt sofort auf. Po versetzte mir einen Stoß und ich stolperte in die Kabine. Zucker schaute sichernd nach links und rechts, dann kam er rückwärtsgehend ebenfalls herein und drückte auf den Parterre-Knopf.
    »Wenn der Strom ausfällt, werden wir hier drin geröstet«, sagte ich zu ihm, wobei sich mir bei dem Gedanken leicht der Magen umdrehte. Ich leide ein wenig unter Klaustrophobie, die ab und zu hervorbricht, wenn ich mich zusammen mit halbmenschlichen Ungeheuern, die riechen wie alte, feuchte Teppiche, in geschlossenen engen Räumen aufhalte.
    »Kein Problem«, erwiderte Zucker knapp. »Vertrau mir.«
    Die Türen glitten wieder auf, und wir verließen schnell die Kabine und gelangten in einen breiten Flur. Zucker hatte noch immer die Führungsposition. Das Parterre war fast so etwas wie eine Vision der Hölle. Der Rauch war hier dichter und beschränkte meine Sichtweite auf Armeslänge, und der ätzende Geruch war stärker. Außer dem Alarm waren zahlreiche andere Laute zu hören: Schreie, gebrüllte Befehle, das Scharren und Trommeln von Füßen in Stiefeln. Keine Schrittgeräusche hinter mir, dachte ich. Ich drehte mich um und sah, dass Pos Füße genauso nackt waren wie meine. Die letzten Reste seiner Kleidung waren abgefallen und mit ihnen das, was auch immer an lächerlich geringer Chance für ihn bestanden haben mochte, als Mensch betrachtet zu werden. Selbst wenn er sein umherirrendes Fleisch unter Kontrolle bekommen sollte, wäre er splitterfasernackt.
    Ich kollidierte mit einem Rollstuhl, der mitten im Korridor stand, und fiel beinahe aufs Gesicht. Po knurrte warnend. Er verstand mein Straucheln offenbar als Provokation. »Wie kommen wir hier raus?«, rief ich hinter Zucker her, der ein paar Meter vor uns war, da er keine Angst haben musste, wichtige Gliedmaßen und Organe zu verlieren.
    »Vertrau auf Gott«, empfahl er. Ich sah ihn fragend an, aber er setzte seinen Weg durch den Korridor fort, ohne einen Blick hinter sich zu werfen, so dass ich nichts anderes als seinen Hinterkopf sehen konnte. In seiner Stimme lag nicht eine Spur von Ironie.
    »Das ist gewöhnlich keine Option für mich.«
    »Aber jetzt bist du in seiner Hand.«
    Eine Doppeltür erschien vor uns. Zucker öffnete sie mit einem Fußtritt und ging hindurch in eine Art Atrium. Die höhere Decke brachte die Dämpfe in hypnotischen Wirbeln zum Tanzen wie geronnene Milch in schwarzem Kaffee. In meinem Kopf drehte sich alles, mein Magen revoltierte. Keiner der
loup-garous
schien dadurch beeinträchtigt zu werden.
    Ich verlor Zucker praktisch sofort aus den Augen, aber er war nicht weit gegangen. Als ich ihm folgte, schoss seine Hand aus dem Nebel und packte mein Handgelenk. Seine Stimme erklang dicht an meinem Ohr.
    »Bleib schön in meiner Nähe«, murmelte er. »Wenn wir dich zurücklassen müssen, wäre es okay, dich zu töten, wurde uns gesagt. Po hofft, dass es dazu kommt, aber ich halte mich lieber so lange wie möglich ans Drehbuch.«
    Ich fragte mich plötzlich, wie Zucker wohl aussah, wenn er seine Tiergestalt annahm. Offensichtlich verfügte er über eine bessere Selbstkontrolle als sein Partner. Ich entschied, dass ich lieber nicht in der Nähe sein wollte, wenn diese Selbstkontrolle plötzlich versagte.
    Er zog mich hinter sich her durch das gewittergraue Halbdunkel. Ich nahm an, dass Po immer noch bei uns war, aber ich konnte ihn nicht mehr sehen. Ich konnte überhaupt nichts mehr sehen. Es schien, als brenne der gesamte Bau, obgleich mir schlagartig einfiel, dass ich bisher noch keine Flammen gesehen oder Hitze gespürt hatte.
    Plötzlich tauchte ein Gesicht aus den Rauchschwaden auf: ein Wachmann in Uniform, der wirkungslos mit einer Taschenlampe herumfuchtelte, die nichts erhellte als wallenden Rauch. Der Wachmann sah uns, während wir ihn sahen, und öffnete den Mund, um etwas zu rufen.
    Po machte einen Satz mehr oder weniger über meinen Kopf hinweg und landete auf der Brust des Mannes. Dieser ging wie vom Blitz getroffen zu Boden. Dann hatte sich Zucker schon auf Po gestürzt und rang mit ihm. »Lass ihn in Ruhe!«, schnappte er. »Lass ihn, Bruder! Gott soll ihn finden! Gott soll richten!« Ein Knurren erklang, dann ein Rascheln und Poltern und schließlich ein

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