Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
etwas Negatives betrachtet. Die meisten Geister leiden auf irgendeiner Ebene. Ich denke – falls Sie Abbie ein Gefühl der Sicherheit und des Willkommenseins und der Liebe vermittelt haben, was Sie ganz sicher getan haben – ist sie zu dem weitergegangen, was als Nächstes auf sie wartet.« Ich wollte nicht den Himmel erwähnen. Ich selbst bin Atheist, wie ich glaube, bereits erwähnt zu haben – und zwar vorwiegend deshalb, weil ich mit dem Widerspruch nicht zurechtkomme, dass ein allmächtiger Gott eine derart schlampig zusammengeschusterte Welt wie diese geschaffen haben soll. Ein paar staatlich geprüfte Gasinstallateure hätten einen erheblich besseren Job abgeliefert. »Sie ist jetzt vielleicht irgendwo anders – an einem Ort, den sie gleich nach ihrem Tod hätte aufsuchen sollen. Die zusätzliche Zeit, die Sie mit ihr verbracht haben, war ein Geschenk und, wissen Sie, ein Trost – aber es sollte nicht ewig dauern. Die Toten sind meistens nicht so beständig.«
Ich verstummte. Steve schüttelte sehr heftig – beinahe zornig – den Kopf, aber er redete nicht. Stattdessen richtete er einen erwartungsvollen Blick auf Mel, die auf den Schreibtisch starrte. Offensichtlich war sie für diesen Teil der Geschichte zuständig; und offensichtlich war ihr das klar.
»Da ist noch etwas anderes«, sagte sie und schluckte krampfhaft. »Ich habe einen Mann kennengelernt. Vor drei Jahren.« Sie musterte mich mit einem schnellen Blick, um festzustellen, wie viel ich aus diesen wenigen Worten entnahm. Ich erwiderte ihren Blick völlig ausdruckslos. Mir war es lieber, wenn ich über alles genauestens ins Bild gesetzt wurde, anstatt mich auf meine Schlussfolgerungen verlassen zu müssen. »Er war ein … Klient. Jemand, den ich vertrat.«
»Ein Mann aus Ihrer Branche«, lieferte Steve eine weitere Information.
»Ein Exorzist?«
»Ja, genau. Ein Exorzist.«
Mel sah Steve nun mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an – angespannt, flehend, unterwürfig. Ich fragte mich, ob er ihr den Bluterguss im Verlauf einer eskalierten ehelichen Auseinandersetzung verpasst hatte. Vor drei Jahren … zählte das in dieser Ehe als alte Geschichte oder als jüngste Affäre? Er sah nicht aus wie jemand, der seine Ehefrau schlägt. Aber den meisten Ehefrauenschlägern sieht man ihr hässliches Hobby nicht an.
Als wollte er mich beschämen, weil ich überhaupt einen solchen Verdacht zugelassen hatte, legte er einen Arm um ihre Schultern, zog sie an sich und küsste sie auf den Scheitel, weil die Seite ihres Gesichts, die ihm am nächsten war, die durch den Bluterguss verunstaltet war.
»Du musst das Ganze nicht noch einmal über dich ergehen lassen«, sagte er leise – so leise, dass ich ihn kaum hören konnte. »Ich mache dir keine Vorwürfe. Du weißt, dass ich das nicht tue.«
Mel nickte, den Blick starr auf den Fußboden gerichtet.
»Möchtest du nicht hinausgehen und unten im Wagen warten?«
Sie nickte abermals, und er zog seinen Arm weg und küsste sie noch einmal.
Mel stand auf. »Ich hoffe …«, sagte sie und sah mich verzweifelt an. »Ich hoffe, Sie können uns helfen, Mister Castor.« Dann hob sie hilflos die Schultern, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Ein dumpfes Schweigen setzte ein. Ich entschied, Torrington die Gelegenheit zu geben, es zu brechen.
»Der Name des Mannes war Dennis Peace«, sagte er schließlich mit ruhiger Stimme – ruhig, aber mit einem harten Unterton. »Kennen Sie ihn möglicherweise?«
Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht klingelte etwas, aber Geisterjäger hatten wenig Gemeinschaftssinn. Und selbst wenn wir uns mal trafen, dann tauschten wir gewöhnlich keine Namen aus oder beschnüffelten einander ausgiebig. Das Klingeln war jedoch interessant. Es hing irgendwie mit einem Streit oder Kampf zusammen, der ein schlimmes Ende genommen hatte. Ich müsste diesem Hinweis später auf den Grund gehen, denn Steve redete weiter.
»Er wurde wegen eines Exorzismus verklagt, der schiefgegangen war. Der Geist wurde nicht ordnungsgemäß gefesselt, und er hat in dem Haus, in dem er sich befand, einigen Schaden angerichtet. Er sagte, dass so etwas zuweilen geschieht, ganz gleich wie sorgfältig man arbeitet.«
Das war wieder vertrautes Terrain. Ich begrüßte es wie einen alten Freund. »Deshalb wurde es in den Standardvertrag aufgenommen«, bestätigte ich. »Der Exorzist ist für jeden Schaden verantwortlich, den er direkt verursacht, aber nicht für den Schaden, den der Geist
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