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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Licht sehen würde. Wobei es fast egal ist, welches Licht genau.
    Er war in Zivil, womit ich meine, dass er seinen Kragen nicht trug. Wenn man ihn jetzt betrachtete, sah man einen schlanken, leicht gelehrt aussehenden Mann kurz vor den Vierzigern in dunklem Pullover und Jeans, die alt aussahen, ohne schäbig zu wirken, mit schütterem mittelbraunem Haar und sehr harten blaugrauen Augen. Alles an Matty war hart. Er hatte eine Schwäche für moralische Gewissheiten. Er hatte auch einen wachen Blick für Details und musterte mich prüfend.
    »Du siehst nicht gut aus«, stellte er fest. »Dein Gesicht wirkt irgendwie hektisch. Und deine Lippe ist geschwollen. Hattest du einen Unfall?«
    »Ich wurde auf offener Straße überfallen«, sagte ich.
    »In Ausübung deiner Tätigkeit?« Matts Lippen verzogen sich missbilligend. Er fand überhaupt nicht gut, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiente.
    »So könnte man es ausdrücken. Wie geht es Mum?«
    »Gut. Sie hatte vor ein paar Wochen eine Brustkorbinfektion, aber man hat ihr Antibiotika verschrieben, und sie hat sich wieder ganz gut erholt. Sie haben ihr auch einen Inhalator gegeben.« Er runzelte die Stirn. »Sie will nicht mit dem Rauchen aufhören, trotz des Emphysems, daher ist das Wichtigste, ihre Atemwege frei zu halten. Ich dachte, du hättest vor, sie zu besuchen.«
    »Das tue ich auch«, sagte ich. »Ich muss vorher nur noch ein paar Dinge klären, mehr nicht.«
    »Na schön.«
    Er trank einen Schluck Kaffee und hielt den Blick gesenkt wie jemand, der sich bemühte, still zu sein.
    Ich füllte die Pause, holte Zuckers Messer aus der Tasche und legte es zwischen uns auf den Tisch.
    »Hast du so etwas schon mal gesehen?«, wollte ich von Matty wissen.
    Matty starrte auf das Messer, und seine Augen weiteten sich ein wenig. »Dieser Gegenstand gehört zu deinem Leben und nicht zu meinem«, sagte er leise. Zu leise. Er lernte es niemals, genauso mit seinem Gesicht zu lügen wie mit seiner Stimme.
    »Seltsam, dass du das meinst«, sinnierte ich. »Denn der Typ, der es bei mir benutzen wollte, war ganz eindeutig ein Mitglied deiner Truppe.«
    »Ein Priester?«, fragte Matty verächtlich.
    »Ja, auf gewisse Weise. Vielleicht. Ein Funktionsträger deiner Kirche.«
    »Meine Kirche beschäftigt keine bewaffneten Männer.«
    »Wirklich nicht? Haben dann die Kreuzritter euer Markenzeichen ohne Erlaubnis benutzt?«
    Matt seufzte tief. »Der letzte Kreuzzug endete im dreizehnten Jahrhundert, Felix. Ich habe die Gegenwartsform benutzt.«
    Ich tippte gegen den Messergriff. »Dieses Ding ist ein Geschenk, Matty. Und es macht mir für uns beide Angst. Erzähl etwas über die Anathemata.«
    Er schwieg.
    »Sie versuchen, mich umzubringen«, fuhr ich fort. »Es würde mir verdammt helfen, wenn ich wüsste weshalb.«
    »Sie – töten – nicht wahllos«, sagte Matty schließlich. »Und sie sind keine Repräsentanten der Kirche.«
    »Warum werden sie dann als eine Kirchenorganisation geführt?«
    »Das sind sie nicht. Es sei denn, du hast in einem alten Buch nachgeschlagen.«
    Abermals wartete ich, und schließlich brach Matty widerstrebend das Schweigen.
    »Sie sind eine sehr alte Sekte«, sagte er. »Aber ihre Geschichte ist durchwachsen. Unter einigen Päpsten existierten sie kaum. Zu anderen Zeiten waren sie auf ihre Art genauso mächtig wie die Societas Jesu oder die Inquisition. Sie hatten sich zur Aufgabe gemacht, sich mit den Dingen zu befassen, die die Mutter Kirche als Abscheulichkeiten bewertet,
anathema
, wie es auf Griechisch heißt. Anathemata ist nur der Plural. In jüngerer Zeit – während der letzten zehn Jahre ungefähr – waren das die auferstandenen Toten.«
    Ein trübes Licht, wie Biolumineszenz bei einer Leiche, begann zu dämmern.
    »Was genau bedeutet ›sich damit beschäftigen‹ in diesem Zusammenhang?«, fragte ich.
    »Ich habe keine Ahnung«, gab Matty zu. »Ich war niemals Mitglied, obgleich ich als Student der Kirchengeschichte von ihrer Existenz wusste.«
    »Willst du mir weismachen, dass nach den Beichten am Sonntagabend nicht darüber geredet wurde?«
    Er runzelte die Stirn. »Es gab offenbar Gerüchte. Widersprüchlich und auf nicht mehr als Hörensagen beruhend. Felix, die katholische Kirche ist keine umfangreiche, geheime Verschwörung, egal, wie du darüber denkst – was die Informationsfreiheit angeht, schneidet sie im Vergleich mit den meisten Regierungen recht gut ab.«
    »Leg die Latte ein wenig höher«, empfahl ich ihm säuerlich.

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