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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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verabreichte Eiswürfel. »Sie hatten kein Recht …«, setzte ich an. Aber Webb wollte sich nicht stoppen lassen, ehe er richtig losgelegt hatte.
    »Ich habe jedes Recht, einen Kollegen zurate zu ziehen«, unterbrach er mich. »Professor Mulbridge ist eine anerkannte Expertin auf diesem Gebiet.«
    »Auf welchem Gebiet?«, fragte ich und nagelte ihn fest.
    Er zögerte und versuchte, die Falle zu wittern, ehe er hineintappte.
    »Auf welchem Gebiet?«, wiederholte ich. »Metamorphische Ontologie? Weil Sie Rafi als schizophren diagnostiziert haben. Wollen Sie damit andeuten, dass Sie Ihre Einschätzung geändert haben?«
    »Wir wissen beide …«
    »Wir wissen beide«, sagte ich und musste fast schreien, um seine deutlich erhobene Stimme zu übertönen, »dass Sie so sehr darauf erpicht sind, Rafi loszuwerden, dass Sie dafür alles versuchen würden. Und jetzt zu erklären, dass er in eine fachlich anders ausgerichtete Einrichtung verlegt werden soll, erscheint als deutlich schneller umzusetzende Option, anstatt die vom MHA vorgeschriebene Untersuchung durchzuführen und ihn von einem unabhängigen Gremium beurteilen zu lassen.«
    »Er muss tatsächlich in einer seinem Zustand angemessenen Einrichtung untergebracht werden«, erwiderte Webb ebenfalls in lautem Tonfall. »Er ist eine Gefahr für jeden, der mit ihm in Kontakt kommt.«
    »Das war vergangene Woche«, sagte ich in einem Ton, der beinahe ein raubtierhaftes Knurren war. »Und glauben Sie mir, Webb – wenn Sie anfangen, mit Jenna-Jane zu liebäugeln, werden Sie vor Gericht erklären müssen, wann genau Sie Ihre professionelle Einschätzung hinsichtlich Rafi Ditkos Zustand geändert haben – und weshalb Sie es nicht für angebracht hielten, seine Freunde oder seine Familie darüber zu informieren.«
    Webbs Gesicht nahm eine sehr attraktive ziegelrote Schattierung an, die mit seinem blassgelben Oberhemd sehr hübsch kontrastierte. »Castor, Sie ergehen sich in Haarspaltereien«, fauchte er, »und ich lasse mich von Ihnen nicht einschüchtern. Ich muss tun, was für diese therapeutische Einrichtung das Beste ist, und ich glaube, dass meine Tätigkeit auch der strengen Überprüfung durch …«
    Ich ging einfach und ließ ihn aufgebracht hinter mir her brüllen. Ich musste mich schnellstens von ihm entfernen, ehe ich handgreiflich wurde und ihm seine moralische und rechtliche Überlegenheit auf dem Präsentierteller servierte.
    Außerdem brauchte ich Antworten, und ich hatte keine Lust zu warten, bis ich wusste, wie die Fragen lauteten.

    »Schön, dich mal wiederzusehen, Felix«, sagte mein Bruder Matt, während ich mich ihm gegenüber in die Nische zwängte. »Ich schließe dich oft in meine Gebete ein.«
    »Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich wüsste, um was du betest«, entgegnete ich mit einem eisigen Lächeln. Ihm eine solche Bemerkung unerwidert durchgehen zu lassen, wäre ein schlechter Anfang für unser Gespräch.
    Wir saßen in einem kleinen Café unweit des Muswell Hill Broadway mit fragwürdiger Inneneinrichtung, die entfernt an Art nouveau erinnerte – aber wirklich nur ganz entfernt. Figurenbilder von Mucha und Hodler zierten die Wände, und rechteckige Lampenschirme im Tiffany-Stil hingen gefährlich tief über jedem Tisch. Lebhafter Jazz aus den Zwanzigerjahren erklang leise im Hintergrund, um auch akustisch die Epoche lebendig zu machen – aber unpassenderweise lief auf einem Wandbrett hinter der Theke auch ein Fernseher mit ausgeschaltetem Ton. Zurzeit zeigte er einen Reporter mit ernster Miene, der vor einer Ladenreihe stand und lautlos in die Kamera redete. Von meinem Platz aus betrachtet, stand der Reporter auf Matts rechter Schulter, als sei er die Stimme seines Gewissens.
    Mein Bruder hatte bereits bestellt, was ganz in Ordnung war. Was ich in diesem Moment am liebsten getrunken hätte, stand hier sowieso nicht auf der Karte. Wenn ich in dieser Gegend war, ging ich am liebsten in den O’Neill’s Pub auf dem Broadway, der sich in den Räumlichkeiten einer säkularisierten Kirche breitgemacht hatte. Aber Matty teilte nicht meinen Sinn für Humor, und ich wollte zu einer geselligen Atmosphäre beitragen, daher hatten wir uns für das Café entschieden.
    Ich hatte Matty vom Stanger aus angerufen und ihn gebeten, sich mit mir zu treffen. Als er fragte, weshalb, sagte ich, es gehe um mein Seelenheil, und legte auf. Er wusste, dass ich höchstwahrscheinlich scherzte, aber war nie bereit, die Hoffnung zu verlieren, dass ich irgendwann das

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