Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
Totschlag, die am Samstagabend durch West-London gebrandet war. Dieser Teil der Stadt war das Epizentrum von etwas sehr Hässlichem, etwas Unterirdischem, das als Mord hier und als Vergewaltigung dort zu Tage trat – und nun als Aufruhr. Ich konnte nicht glauben, dass es dort keine Verbindung geben sollte.
Ich schaltete das Radio ein und fand nach einigem Herumstochern mit einem Finger in der Dunkelheit die Taste für die Sendersuche. Fetzen von Pop, Reggae, Funkwerbung und die gelegentliche sachliche BBC -Stimme spülten mir in die Ohren, als mir schlagartig klar wurde, dass ich gar nicht genau wusste, wohin ich unterwegs war. Bloemfontein Road. Ich kannte sie überhaupt nicht, aber der Nachrichtensprecher im Fernsehen hatte gesagt, dass sie ein nördliches und ein südliches Ende hatte, daher zweigte sie entweder vom Westway ab oder sie befand sich irgendwo im Straßenlabyrinth rund um das Stadion. Ich konnte nur hoffen, dass ich sie, sobald ich nahe genug herangekommen war, anhand des Feuers und der Sirenen finden würde.
Die Straße war anfangs einigermaßen frei, und ich kam zügig voran – aber der Verkehr würde sicherlich zähflüssiger, wenn ich zur Hanger Lane käme, und auf jeden Fall gab es eine schnellere Route durch Willesden zur Scrubs Lane. Als ich von der Harrow Road abbog, wurde mir bewusst, dass es bis zu meinem Büro höchstens nur noch einhundert Meter wären. Nun, Pen sagte mir ständig, ich sollte dort mehr Zeit verbringen.
»… was schnell zu einer Belagerung eskalierte.« Endlich! Der Tonfall sowie die Worte verrieten mir, dass ich gefunden hatte, wonach ich suchte. Ich stoppte die Sendersuche mit weiterem blindem Herumfummeln und drehte die Lautstärke auf. Ich schaltete den Heckscheibenwischer und die Warnblinkanlage ein, aber dies war nicht der Zeitpunkt, um sich über Details den Kopf zu zerbrechen. Eine Männerstimme, ernst, aber mit einem erregten Unterton, plärrte aus den Lautsprechern der billigen Stereoanlage des Wagens, die ihr zu einem blechernen Timbre verhalf. »Man nimmt an, dass sich noch an die zwanzig Personen im Einkaufszentrum befinden, aber wir haben keine Ahnung, wie viele gegen ihren Willen dort festgehalten werden oder wer die Leute sind, in deren Gewalt sie sich befinden. Die Brände sind mittlerweile weitgehend gelöscht worden, und die unmittelbare Gefahr ist gebannt, aber diese bewaffneten Männer und Frauen haben bislang keine Forderungen gestellt und sich auch nicht zu ihren weiteren Plänen geäußert. Die anfänglichen Zerstörungen erscheinen eher zufällig, und den Geräuschen nach zu urteilen, die wir hören können, sind sie im Innern des Einkaufszentrums immer noch im Gange. Erst vor fünf Minuten flog eine Trainingsmaschine durch ein Fenster im obersten Stockwerk und landete auf einem Streifenwagen, der auf der Straße darunter geparkt war. Zum Glück wurde niemand verletzt, aber die Lage hier ist nach wie vor äußerst angespannt, und es ist nicht davon auszugehen, dass sie sich in absehbarer Zeit verbessert.«
Das plötzliche Verstummen von Straßenlärm im Hintergrund signalisierte, dass man wieder ins Studio zurückgeschaltet hatte, während eine zweite Stimme, diesmal weiblich, aber mit dem gleichen dramatischen Ernst, den Bericht fortsetzte – oder sich in vagen Spekulationen über Terroristenzellen und leicht angreifbare wirtschaftliche Ziele erging. Ich blendete die Stimme in meinem Bewusstsein weg. Hier ging es nicht um Terrorismus, das fühlte ich instinktiv. Es ging um Nickys glockenförmige Kurve. Und man sollte lieber nicht danach fragen, wem die verdammte Stunde schlug, weil einem die Antwort wahrscheinlich gar nicht gefallen hätte.
Mein Telefon meldete sich, und ich nahm den Anruf an für den Fall, dass Pen am anderen Ende war und wissen wollte, wohin ich so eilig abgerauscht war. Aber sie war es nicht.
»Hey«, sagte Nicky. »Habe ich dich in einem ungünstigen Moment erwischt?«
Der Civic hatte ein automatisches Getriebe. Ich konnte ihn mit einer Hand fahren, aber ich hatte genug damit zu tun, mich auf den Verkehr zu konzentrieren, ohne auch noch mit Nicky ein Schwätzchen zu halten.
»Ja«, sagte ich. »Kann ich dich zurückrufen?«
»Klar. Siehst du gerade fern?«
»Vorhin. Jetzt höre ich Radio.«
»Interessant, nicht wahr? Ruf mich an, wenn du einen Moment Zeit hast. Aber beeil dich. Diesen Scheiß musst du dir anhören. Eigentlich ruf mich nicht an, denn ich gehe zu Ice-Makers. Du kannst mich dort
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