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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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geschrieben, sofort in den Polizeidienst eingetreten, und das nicht als Notlösung und nicht wegen der sicheren Beamtenpension. Er hatte den Beruf vielmehr mit großer Begeisterung gewählt, und die hielt bis zum heutigen Tag an. Damals beim Einjährigen hatte er gespürt, dass die meisten der Exmitschüler seine Berufswahl mehr oder weniger als sozialen Abstieg empfanden. Auch Gudrian. Vor allem Gudrian. Seitdem war Jennerwein nicht mehr zu den Klassentreffen gegangen. Er hatte die ›Klassenzeitungen‹, zu der alle ihre Artikel lieferten, anfangs noch gelesen, er hatte aber als Einziger nie selbst einen Beitrag, ein Was-habe-ich-denn-in-den-letzten-Jahren-so-getrieben? verfasst. Auch die diesjährige Ausgabe lag schon im Papierkorb. Ungelesen. Ein unbestimmtes Kribbeln im Nacken sagte Jennerwein, dass das vielleicht ein Fehler gewesen sein könnte.
     
    Er und Gudrian waren auch keine engen Freunde gewesen, sie waren in der fünften Klasse ein paar Monate nebeneinandergesessen, im Religionsunterricht, bei Pfarrer Wall. Die Klasse war von einer Welle von Geheim- und Spitznamen überschwemmt worden. Jennerwein und Gudrian waren bei Hu und Gu gelandet.
    »Du, Hu«, hatte Bernie damals gesagt. »Der Religionslehrer hat doch gesagt, dass alle Dinge, die mit Weihwasser geweiht worden sind, Glück bringen.«
    »Wird schon so sein.«
    »Und er hat gesagt, dass man alles weihen kann: Getreide, Gemüse, Menschen, Tiere, Schlüssel –«
    »Alles eben.«
    »Aber dann wäre es doch einfacher, wenn man gleich die ganze Erde mit Weihwasser besprengen würde, dann ginge es in einem.«
    »Das geht deshalb nicht, weil man eben doch nicht alles weihen kann. Ein zerknülltes Tempotaschentuch zum Beispiel. Geld kann man wahrscheinlich auch nicht weihen.«
    Sie gingen zum Religionslehrer Wall, und der bestätigte es. Geld durfte man unter keinen Umständen weihen. Es war sogar eine Sünde, Geld zu weihen. Und wenn man es weihte, dann brachte es Unglück. Wer geweihtes Geld in die Hand nahm, dem geschah etwas Furchtbares, aber zumindest wurde er vom Teufel geholt. Der Religionslehrer Wall suchte sogar in der Bibel und fand bei Jeremias soundsoviel einen passenden Spruch dazu:
Wer aber von euch Münzen weiht, der –
Und dann kam irgendetwas mit Braten, Sieden und glühenden Kohlen. Kurz darauf war Erntedankfest. Die beiden Buben schmiedeten einen Plan. Ganz unten in den Obstkorb, den die Mutter Jennerwein immer liebevoll für die Erntedankmesse zusammenstellte, sollten ein paar Zehnerl gelegt werden, die auf diese Weise sozusagen mitgeweiht würden. Nach der Messe holten sie die Zehnerl heraus. Sie schienen heißer geworden zu sein. Waren sie schon in der Hölle gewesen? Aber warum hatte sie der Teufel nicht gleich behalten? Sie gingen zum Süßkramer, der seinen Laden fast neben der Kirche hatte. Bernie kaufte mit dem geweihten Zehnerl ein Stück Bärendreck. Er steckte es in die Tasche. Es fiel durch ein Loch im Stoff auf den Boden. Das war ein Zeichen. Er hob es wieder auf und steckte es in die andere Tasche. Hubertus investierte zwei geweihte Zehnerl und kaufte eine Tüte Gummibärchen.
    »Ist noch was geschehen?«, fragten sie einander am nächsten Morgen.
    Nichts war geschehen. Auch in den nächsten Tagen geschah nichts. Einige Wochen später erfuhren sie, dass der Süßkramer sein Geschäft zugesperrt hatte und weggezogen war. Aus heiterem Himmel. Nie mehr hatten Bernie und Hubertus über das heimlich geweihte Geld gesprochen. Die Freundschaft zwischen Hu und Gu währte ohnehin nur noch ein paar Monate, und sie zerbrach nicht etwa an den geweihten Zehnerln, sondern an einem Mädchen aus der Parallelklasse.
     
    Jennerwein fischte seine Geldbörse aus der Tasche. Ganz hinten lag es, das obskure Münzstück. Für ihn war es ein Glückszehnerl geworden, und er hatte es in jede neue Geldbörse gesteckt. Dreißig Jahre lang. Er war so in Gedanken gewesen, dass ihm das jetzt erst wieder einfiel. Die Gummibärchen hatte er sich damals nicht zu essen getraut. Er vermutete, dass es Bernie mit seinem Bärendreck genauso gehalten hatte. Und dieses letzte Zehnerl hatte er nie ausgegeben. Jetzt war es eh zu spät, jetzt war das Pfennigzehnerl, das gewaltsam geweihte, vom Euro überrollt worden und nichts mehr wert. Aber nimmt der Teufel auf eine Währungsumstellung Rücksicht? Jennerwein steckte die Geldbörse wieder ein. Hu und Gu – lächerlich! Er benahm sich ja gerade so, als ob er einen Fall zu lösen hätte. Dabei fand anscheinend

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