Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Ahmed das Mädchen rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Mit der Trage die Stufen hinaufzusteigen und den drei großen Stalagmiten auszuweichen war nicht einfach.
»Wahrscheinlich wurde der Zeitzünder eingestellt, als sie mit dem Mädchen in den Tunnel eingestiegen sind«, überlegte er. »Sie hatten höchstens zehn oder fünfzehn Minuten Vorsprung vor uns. Inzwischen sind weitere fünfzehn Minuten vergangen. Der Sprengsatz hat demnach nach genau dreißig Minuten gezündet. Wenn es einen zweiten gibt, stellt sich die Frage, wer ihn wann scharf gemacht hat. Am besten, wir bleiben noch eine Weile in Deckung. Hier sind wir halbwegs sicher.«
»Der Kerl muss schnellstens ins Krankenhaus. So lange hält er nicht durch«, entgegnete der Sanitäter.
»Mag sein, aber für diesen Halunken will ich nicht mein Leben riskieren«, sagte Jean-Jacques.
»Wie dem auch sei, ich gehe zurück an den See«, erklärte Albert und tippte auf sein Funkgerät. »Hier habe ich keine Verbindung.«
»Versuch’s gleich um die Ecke«, sagte Bruno.
Albert folgte seinem Rat, und aus dem Lautsprecher knisterte eine verzerrte Stimme. Er drückte auf den Rufknopf und gab sich zu erkennen, doch es kam keine Antwort.
»Es klappt nicht. Ich muss raus, damit man mich hört«, sagte er und richtete sich auf. In diesem Moment krachte es wieder, ganz in der Nähe. Die Druckwelle riss ihn von den Beinen und löschte bis auf eine sämtliche Kerzen.
»Verdammt, wir kommen hier nicht mehr raus«, ächzte der Sanitäter.
»Aber draußen weiß man doch, dass wir hier drin sind«, sagte Albert und rieb sich den Staub aus den Augen. »Sie werden uns freibaggern. Wir haben Wasser und können mehrere Tage aushalten.«
»Der Mann hier hat höchstens noch eine Stunde zu leben«, sagte der Sanitäter. »Sein Blutdruck ist total im Keller.«
»Schauen wir mal nach, ob beide Ausgänge verschüttet sind«, schlug Bruno vor. Er steckte ein paar Kerzen an und ging zurück zum Ufer, wo sie gestanden hatten, als der erste Sprengsatz explodierte. Er blickte in den Tunnel, der zur Grotte führte. Die ersten Meter waren frei. Dahinter aber lag Schutt, der sich bis zur Decke auftürmte.
»Versuch noch mal zu funken«, sagte er zu Albert. Aber aus dem Gerät war nicht einmal mehr ein Knistern zu vernehmen.
»Der Gang zur Grotte ist ungefähr fünfzig Meter lang«, schätzte Albert. »Wenn er komplett zugeschüttet ist, können wir lange warten, und wer weiß, wie es den Leuten in der Gouffre ergangen ist.«
Bruno dachte an die drei so genannten Drachenzähne über dem Einstieg in den Tunnel. Jeder einzelne dieser Stalagmiten wog vermutlich mehrere Tonnen. Man würde schweres Gerät auffahren müssen, um den Weg freizumachen.
»Da wir ohnehin nichts Besseres zu tun haben, können wir geradeso gut nach einem anderen Ausstieg suchen«, schlug er vor. »Es gibt hier jede Menge weiterer Felsspalten. Ich gehe mal auf die andere Seite des Wassers zurück und sehe nach, wie sehr der Tunnel zur Kapelle verschüttet ist.«
Eine brennende Kerze in der ausgestreckten Hand, balancierte er über den Damm. Jules folgte ihm in den Tunnel, der beinahe sein Grab geworden wäre. Bruno zählte rund hundert Schritte, bis er auf eine Geröllhalde stieß, die ein Weiterkommen unmöglich machte. Die beiden kehrten um. Der Staub hatte sich gelegt, und Bruno stieg ein Geruch in die Nase, der an Klebstoff erinnerte. In seiner Armeezeit hatte er ihn häufig genug wahrgenommen.
» Plastrite, aus französischen Militärbeständen«, sagte er zu Jules. »Wenn wir hier lebendig wieder rauskommen, müssen wir als Erstes klären, wie der Plastiksprengstoff in deren Hände gelangen konnte.«
In der Fortsetzung des Tunnels hatten sich Albert und Jean-Jacques darangemacht, den Schuttberg abzutragen, Stein für Stein. Was blieb ihnen auch anderes zu tun übrig, fragte sich Bruno. Zusammen mit dem Sanitäter waren sie zu fünft. Sie lebten, waren bei Kräften und hatten Licht, Wasser und das Werkzeug, das sie bei sich trugen.
»Was haben wir alles in den Taschen?«, fragte Bruno und leerte seine aus. Er legte Pistole und Brieftasche auf den Boden, ein Taschentuch, Klappmesser, Taschenlampe und Handy, Notizbuch, Bleistift, Latexhandschuhe und Beweismitteltüten. Dann zog er den Gürtel ab und legte ihn dazu. Das war alles.
Sergeant Jules und Jean-Jacques hatten auch nicht mehr. Albert konnte immerhin ein dreißig Meter langes Seil beisteuern, außerdem ein Beil, einen Helm und seine Atemmaske
Weitere Kostenlose Bücher