Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
gekommen, auf das er sich schon gefreut hatte. Florence hatte ihn zu sich in ihr Appartement neben der Schule eingeladen, wo sie jetzt arbeitete. Sie waren zu sechst gewesen: neben Bruno auch Rollo, der Rektor der örtlichen Schule, und seine Frau Mathilde, Serge, der Sportlehrer und einer der Stars der städtischen Rugbymannschaft, sowie Fabiola, die ungewöhnlich zurückhaltend wirkte.
Das Essen war schlicht gewesen: Als Vorspeise gab es geräucherten Lachs; darauf folgten ein Brathähnchen, ein Salat mit verschiedenen Käsesorten, die alle von Herstellern aus der näheren Umgebung kamen, und zum Schluss eine Apfeltarte von Fauquet. Florence hatte anerkennenswerterweise hiesige Weine gekauft, Bruno eine Flasche Pomerol beigesteuert und Rollo eine Flasche Chablis. Den Tisch schmückte ein von Fabiola mitgebrachter großer Strauß Narzissen. Der Abend war ein voller Erfolg gewesen.
Bruno hatte sich für Florence gefreut, denn es war nicht nur ihre erste Abendeinladung in Saint-Denis, sondern auch das erste Mal, dass sie den Rektor und seine Frau Mathilde zu Gast hatte. Bruno kannte Rollo schon sehr lange und hatte sich noch nicht daran gewöhnen können, ihn in der Rolle des Vorgesetzten von Florence zu sehen. Sie überließ ihm im Tischgespräch immer wieder diskret den Vortritt und bemühte sich, auch seine Frau mit einzubeziehen. Unvermeidlich kamen sie auch auf die Schule zu sprechen, auf den Lehrermangel in ländlichen Gebieten ganz allgemein, die viel zu geringe Zahl an Ausbildungsplätzen für Schulabgänger und die Änderungen im Lehrplan. Bruno nutzte die Gelegenheit zu fragen, ob sich Rollo oder Serge an Francette Junot erinnerte.
»Aus ihr hätte eine gute Leichtathletin werden können, aber wie die meisten Mädchen hat sie in der Pubertät das Interesse am Sport verloren«, antwortete Serge. Rollo berichtete, sie sei mathematisch begabt gewesen, habe aber nie ihre Hausaufgaben gemacht und deutlich zu erkennen gegeben, dass sie so früh wie möglich die Schule verlassen wollte, um Geld zu verdienen. Das Gespräch hatte schon eine andere Wendung genommen, als Mathilde plötzlich sagte: »Ich kannte sie nicht gut, hatte aber den Eindruck, dass sie kreuzunglücklich war.«
Alle merkten auf. Mathilde, die im Büro eines Wirtschaftsprüfers vor Ort in Teilzeit arbeitete, war nicht bekannt dafür, dass sie über Schulangelegenheiten sprach.
»Männern fällt so etwas vielleicht nicht auf, aber sie war immer sehr unvorteilhaft angezogen, und die anderen Mädchen haben sich über sie lustig gemacht. Ich weiß noch, wie ich einmal an der Bushaltestelle vorbeigekommen bin und gehört habe, wie über sie hergezogen wurde. Sie soll Sachen aus der Action Catholique getragen haben, die von einer ihrer Mitschülerinnen dort abgegeben worden waren. Kinder in diesem Alter können ja so gehässig sein. Vielleicht konnte es Francette deshalb kaum erwarten, die Schule zu verlassen.«
Es blieb eine Weile still am Tisch, bis Florence mit heiterer Stimme erklärte, dass sie dank ihres neuen Jobs ihre Garderobe nicht mehr von einer Wohltätigkeitseinrichtung beziehen müsse. Bruno war froh, erwähnt zu haben, wie attraktiv Florence heute aussehe, und dass ihm die neue Frisur aufgefallen sei. Sie trug ihre blonden Haare nun kürzer, was ihr etwas längliches Gesicht optisch verkürzte.
Antoine schnalzte plötzlich laut mit der Zunge und holte Bruno damit aus seinen Erinnerungen in die Gegenwart zurück. Offenbar hatte ein Fisch angebissen. Statt der sanft geschwungenen grünen Hügel, die sie hinter sich zurückgelassen hatten, ragten nun schroffe Kalkfelsen auf. Die Brücke von Thonac kam in Sicht. Antoine legte sein Paddel ab und holte die Angelschnur ein. Zwei kleine Forellen zappelten an den Haken.
»Na bitte.« Er holte ein kleines Holzbrett sowie einen mit Limonen gefüllten Beutel aus seiner Tasche und nahm sein Laguiole-Messer vom Gürtel. »Paddel du weiter, Bruno. Ich bereite uns derweil unseren casse-croûte vor.«
Bruno warf ab und zu einen Blick zurück auf Antoine, der die Fische ausnahm, filetierte und in den Plastikbeutel steckte. Dann presste er den Saft der Limonen über die Filets, bis sie darin schwammen, band den Beutel zu, steckte frische Köder auf die Haken und griff wieder zum Paddel.
Als sie hinter der ersten großen Flussbiegung an der Kirche von Saint-Léon-sur-Vézère vorbeikamen, brannte die Sonne so heiß, dass Bruno sein Hemd auszog. Sie hatten drei weitere verschlossene Bootshäuser und
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