Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
zwischen den Hügeln dort.« Antoine schaute auf die Uhr. »Wenn du noch weitere Nachforschungen anstellen willst, verschiebe sie lieber auf später. Wir sollten jetzt weiterpaddeln, denn es liegt noch eine lange Strecke Fluss vor uns.«
Sie setzten sich wieder ins Kanu und paddelten durch eine Flussschleife auf die Brücke von Grand Roc zu, vor der eine hübsche neue Anlegestelle eingerichtet worden war. Helle Steinstufen und ein Kiespfad führten den Hang hinauf zu einem großen restaurierten Gebäude aus dem honigfarbenen Gestein der Gegend, dem eine weite Terrasse vorgelagert war. Unten an der Anlegestelle stand eine Frau, die mit der Hand die Augen abschirmte. Als Bruno mit dem Paddel grüßte, winkte sie zurück.
»Letztes Jahr ist an dieser Anlegestelle noch gearbeitet worden«, sagte Antoine. »Da oben sieht man den Giebel der Kapelle von Saint-Philippon, dem alten verlassenen Örtchen. Fahren wir mal rüber.«
»Willkommen in der Auberge Saint-Philippon«, begrüßte sie die Frau, nachdem sie angelegt hatten und ausgestiegen waren. Sie war überdurchschnittlich groß, hatte eine sportliche Figur wie eine Tennisspielerin und ausgesprochen gut geschnittenes helles Haar. Ihr Friseur, dachte Bruno, war bestimmt nicht aus der näheren Umgebung. Sie bestand freundlich darauf, mit ihrem Vornamen Béatrice genannt zu werden, und erklärte, die Managerin des neu eröffneten Hotels zu sein. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Bruno vermutete, dass sie Anfang vierzig war und viel Zeit und Mühe darauf verwandte, jünger auszusehen. Sie trug ein blauweiß gestreiftes Hemdblusenkleid, das sommerlich und praktisch zugleich war. Ihre Augen funkelten, als fände sie das Leben unendlich reizvoll. Doch als Bruno erklärte, in welcher Mission er unterwegs war, wurde ihre Miene ernst.
»Nein, ich habe keine toten Frauen hier vorbeitreiben sehen. Aber Sie sind herzlich eingeladen, das Personal und unsere Gäste zu befragen. Und wie wär’s mit einem Drink? Die Paddelei muss ziemlich anstrengend sein«, sagte sie. »Wie Sie sehen, haben wir noch kein Bootshaus und auch keine Boote. Sie sind die Ersten, die hier anlegen. Vielleicht sollten Sie für meine neue Anlegestelle einen Namen aussuchen und sie taufen.«
Der Steg ragte gut einen Meter aus dem Wasser, und noch gab es keine Rampe, über die man Boote an Land ziehen konnte, geschweige denn ein Fundament für ein Bootshaus. Bruno hatte von Plänen für ein Hotel gehört, war aber überrascht, dass es schon geöffnet hatte. Während Antoine das Kanu festmachte, legte Bruno die Schwimmweste ab und zog sein Hemd an. Dabei entging ihm nicht, dass Béatrice seinen nackten Oberkörper taxierte. Über eine Holzleiter kletterte er auf den Steg und stellte fest, dass Béatrice doch nicht so groß war, wie es ihm vom Boot aus vorgekommen war. Sie reichte ihm nur bis zur Nase, doch das Kleid ließ sie größer erscheinen. Am Handgelenk trug sie eine Tank Solo von Cartier, eine Uhr, die er erkannte, weil eine frühere Freundin einmal eine Fälschung aus China mitgebracht und auch dann noch als Schmuckstück getragen hatte, nachdem sie kaputtgegangen war. Bruno zweifelte keinen Augenblick daran, dass Béatrices Exemplar echt war.
Sie führte sie den Hang hinauf. Auf einem großen flachen Rasenstück stand ein Windsack, der darauf schließen ließ, dass hier Hubschrauber landen konnten. Dahinter tauchte die auberge in ihrer vollen Größe auf, ein Gebäude, das, wie Bruno vermutete, aus dem 18. Jahrhundert stammte und aufwendig renoviert worden war. Es bestand aus zwei Stockwerken mit hohen Fenstern und geöffneten grauen Fensterläden, darüber ein mit dunklem Schiefer gedecktes Mansardendach, in das kleine, halbrunde Fenster eingelassen waren. Breite Stufen führten zum doppeltürigen Eingang unter einem hübschen, von Säulen gestützten Vordach, flankiert von zwei verwitterten Steinputten mit Vasen im Arm, in denen frische Osterglocken steckten. Ein Schild mit dem Namen des Hotels war nirgends zu sehen, auch kein Pförtner.
»Sehr beeindruckend, Madame«, sagte Bruno. »Managerin eines solchen Hotels wird man bestimmt nicht von ungefähr. Wo haben Sie vorher gearbeitet?«
»In Paris, bei einem Catering-Unternehmen, das sich auf Firmenbewirtung spezialisiert hat«, antwortete sie charmant. »Darauf werden wir auch hier unser Hauptaugenmerk legen.«
Béatrice führte sie auf die mit Steinfliesen ausgelegte Terrasse, die zur Hälfte mit Tischen und Sonnenschirmen bestückt
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