Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Satanismusgerede ja etwas Positives abgewinnen«, schlug Jérôme vor. »Etwas, das uns gute Schlagzeilen einbringt.« Er wandte sich an Pater Sentout. »Ich denke da an ein Exorzismusritual auf der Brücke.«
»Unsinn. Damit würden wir uns nur lächerlich machen«, blaffte der Bürgermeister. Bruno blickte verwundert auf. Mangin war ein schlauer alter Fuchs, der in einer politischen Runde normalerweise die Reaktionen der anderen Teilnehmer abwartete, ehe er sich selbst festlegte. Betretenes Schweigen.
»Das wäre mir etwas vorschnell«, meinte der Priester, um die Gemüter zu beruhigen. »Wir wissen ja nicht einmal, ob irgendjemand vom Teufel besessen ist. Bislang gibt es nur Hinweise auf ein unbestimmtes satanisches Ritual. Eines macht mir allerdings zu schaffen…«
Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, und tatsächlich beugten sich alle neugierig vor, auch der Bürgermeister. Bruno schmunzelte in sich hinein. Pater Sentout war offenbar ein genauso geschickter Taktiker wie der Bürgermeister.
»Mich erinnert die ganze Inszenierung an ein klassisches Beispiel für Satanismus. Die nackte Frau mit den ausgestreckten Armen, die so eine ungefähre Kreuzform bildet. Das auf den Bauch geschmierte Pentagramm, die schwarzen Kerzen…«
»Fahren Sie fort«, sagte der Bürgermeister.
»Nicht alle, aber viele Indizien passen zu einer schwarzen Messe«, erklärte der Priester. »In der klassischen Form dieser scheußlichen Blasphemie wird die heilige Kommunion verspottet. Die Hostie, die sich beim Abendmahl in den Leib Christi verwandelt, wird in der schwarzen Messe zum Werkzeug des Teufels und meist in den Intimbereich einer nackten Frau eingeführt, die im Mittelpunkt der Zeremonie steht.«
Bruno rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her, denn er erinnerte sich an das, was Dr. Gelletreau mit der Pinzette aus der Scheide der Toten gezogen hatte. Er nahm sich vor, in der Gerichtsmedizin anzurufen und nachzufragen.
»Außerdem werden Blutopfer gebracht«, fuhr der Priester fort. »Für gewöhnlich schneidet man einem schwarzen Hahn den Kopf ab und besudelt die nackte Frau mit dessen Blut. Auch das wieder zum Spott der Wandlung von Wein in das Blut Christi.«
»Worum geht es eigentlich letztlich bei einer solchen schwarzen Messe?«, wollte Bruno wissen. Er war neugierig und hatte im Gegensatz zum Bürgermeister eine Schwäche für den kleinen, pummeligen Priester, wohl nicht zuletzt deshalb, weil er in dessen Haus schon an mehreren üppigen Festmahlen teilgenommen hatte. Darüber hinaus war Pater Sentout ein großer Fan der Rugbymannschaft und Unterstützer der minimes, der Kinder, die Bruno trainierte. Einmal im Jahr widmete er ihnen einen Gottesdienst und stellte die Kollekte für neue Trikots oder Fahrten zu Auswärtsspielen zur Verfügung.
»Was wir über schwarze Messen wissen, stammt zum großen Teil aus der Regierungszeit des Roi Soleil, des Sonnenkönigs Ludwig XIV «, begann der Priester, dem es sichtlich gefiel, mit seinem Wissen punkten zu können. »Im 17. Jahrhundert schlug diese Geschichte wahrscheinlich ebenso hohe Wellen wie die Ermordung Kennedys. Pamphlete, die darüber verfasst wurden, wurden in ganz Europa in Umlauf gebracht.«
Er erinnerte seine Zuhörer an die berühmte Mätresse des Königs, die gefeierte Marquise de Montespan. Françoise de Rochechouart de Mortemart, Spross einer der ältesten französischen Adelsfamilien, war 1641 zur Welt gekommen. Dank ihrer hohen Geburt und der Beziehungen ihrer Mutter zum Hof avancierte sie zur Hofdame von Ludwigs Gemahlin, Königin Marie-Thérèse von Österreich.
» Putain de merde, sag ich’s doch«, murmelte Montsouris, der einzige Kommunist im Stadtrat. »Die verdammten Aristokraten stecken wieder einmal dahinter.«
»Zu dieser Zeit«, fuhr der Priester fort, »hatte der König schon eine Mätresse namens Louise de la Vallière, die Madame de Montespan aus der königlichen Gunst zu verdrängen versuchte, und zwar durch Hexerei. Ihre erste Verbündete war Catherine Monvoisin, eine Kräuterfrau oder Hexe, die von etlichen Frauen am Hof zu Rate gezogen wurde, wenn diese eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen wollten. Dann überredete die Marquise den abtrünnigen Priester Étienne Guibourg, eine schwarze Messe abzuhalten und einen Liebestrank zu mischen, mit dem sie das Herz des Königs zu gewinnen hoffte. Der Trank hatte eine ganz besondere Zutat: eine entweihte Hostie, die sich die Marquise während der schwarzen Messe in ihre
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