Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
lehnte er sich, offenbar plötzlich erschöpft, zurück und sagte im Brustton der Überzeugung: »Uns steht in dieser Sache noch einiges bevor. Merken Sie sich meine Worte.«
Der Bürgermeister räusperte sich. »Danke, Pater, für Ihren interessanten historischen Exkurs. Ich glaube allerdings nicht, dass die Intrigen am Hof des Sonnenkönigs in unserem Fall weiterhelfen. Aus dem Bericht unseres Polizeichefs geht hervor, dass wir es wahrscheinlich mit dem Selbstmord einer aus dem Gleichgewicht geratenen Frau zu tun haben, und darum möchte ich Sie alle – und auch Sie, Pater – bitten, den Medien gegenüber nichts anderes verlauten zu lassen.«
»Eins noch, Monsieur le Maire «, sagte Bruno, der noch von seinen Ermittlungen auf dem Fluss berichten wollte. »Wir haben drei Stellen gefunden, an denen der Kahn möglicherweise zu Wasser gelassen wurde. Ich werde sie noch einmal mit einem Kollegen aus dem Stab von Commissaire Jalipeau von der police nationale inspizieren.«
Bruno beschrieb die Lagune unterhalb des Roten Châteaus, einen Anleger samt Bootshaus in der Nähe von Les Eyzies sowie eine Bachmündung mit morschem Steg unterhalb der Maison-Forte bei Reignac.
»Die Rote Komtesse«, sinnierte der Bürgermeister und lehnte sich mit wehmütigem Lächeln zurück. »Ich habe diesen Namen schon jahrelang nicht mehr gehört. Was ist aus ihr geworden? Sie müsste, wenn sie noch lebt, weit über achtzig sein.«
»Ich schätze, sie lebt noch«, sagte Montsouris. »Sie hätte sonst bestimmt eine Riesenbeerdigung gehabt, und davon hätten wir erfahren. Die Partei hält große Stücke auf sie. Im Ernst, ich hätte es mir nicht nehmen lassen, nach Paris zu fahren und an ihrer Beerdigung teilzunehmen, und wahrscheinlich wären alle Züge trauerbeflaggt gewesen.«
»De Gaulle bezeichnete sie als Heldin Frankreichs. Erinnern Sie sich?«, sagte der Bürgermeister. »Sie hatte damals gerade das uneheliche Kind eines getöteten Widerstandshelden zur Welt gebracht. Wurde darüber nicht auch ein Film gedreht?«
»Ja, Die rote Komtesse «, sagte Louis Fouton, ein pensionierter Schullehrer und der Älteste am Tisch. »Entstanden Ende der Vierziger, vielleicht 1950. Ich habe ihn als Kind gesehen und kann mich noch gut an das heroische Pathos erinnern, an verschwommene Nahaufnahmen und deutsche Soldaten, die ›Achtung‹ und ›Donnerwetter‹ brüllten, während wir, die cleveren Franzosen, sie zum Narren hielten. Der Held war ein entflohener russischer Kriegsgefangener. Ich erinnere mich an Fotos der Roten Komtesse, aufgenommen im Kreml, wo sie der Moskauer Premiere beiwohnte.«
»In den Fünfzigern hat sie die Demonstrationen gegen unseren Kriegseinsatz in Indochina angeführt und später die algerische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt«, wusste der Bürgermeister hinzuzufügen.
»Es gab wohl keine Befreiungsbewegung, die sie nicht unterstützte«, sagte Fouton, der seine alte Pfeife stopfte. Aus Respekt vor seinem Alter war es ihm als einziger Person erlaubt, im Ratssaal zu rauchen. »Und es gab keinen gutaussehenden Kerl, dem sie keine schönen Augen gemacht hätte.«
»Wussten Sie, dass Sie ein Nachfahre der Marquise de Montespan ist?«, fragte Pater Sentout in das Schweigen am Tisch, während alle ihr Gedächtnis nach Geschichten durchforschten, die den Ruhm der Komtesse erklärten.
»Die Rote Komtesse?«, schnaufte Montsouris. »Va-t’en foutre!«
»So ist es aber. Sie stammt von einem der unehelichen Kinder ab, die Madame de Montespan mit Ludwig XIV . hatte«, versicherte der Pater. »Ich habe das recherchiert. Ihr Château war ein Geschenk des Königs, als er die Marquise der Kirche zum Trotz wieder zu sich nahm.«
»Wenn die Rote Komtesse noch lebt, wo wohnt sie jetzt?«, fragte der Bürgermeister. »Wohl kaum in unserer Nähe. Davon hätten wir doch bestimmt gehört.«
»Hauptsächlich in Paris. Sie hat noch eine jüngere Schwester, die ab und an im Château aufkreuzt«, konnte der Pater berichten. »Ich bin einmal gerufen worden, um in der Familienkapelle eine Messe zu lesen. Ein beeindruckendes Anwesen, wenn auch ein bisschen heruntergekommen.«
»Es müsste da doch einen Hausmeister geben, jemanden, der mir die Tür öffnet, wenn ich mich erkundigen will, oder?«, fragte Bruno.
»Das Château gehört nicht zu unserer Gemeinde. Ob taxes d’habitation abgeführt werden, weiß ich nicht. Aber das ließe sich herausfinden«, sagte der Bürgermeister. Er stand auf und gab zu verstehen, dass die Sitzung
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