Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
der großen Höhle, die von Touristen gern besucht wird. Vielleicht kennen Sie sie schon.«
»Meinen Sie die sogenannte Teufelshöhle, in der manchmal Jazzkonzerte stattfinden? Die mit den Stalagmiten?«
Bruno nickte. »So hieß sie früher. Wir nennen sie Gouffre de Colombac. Der Manager meint, ein solcher Name käme bei den Touristen besser an. Dort schließt sich ein Forstweg an, auf dem Sie ein Stück galoppieren könnten. Auf ihm gelangen Sie zum Steinbruch von Campagne, vor dessen Zufahrt ein Wegweiser nach Les Eyzies steht. Haben Sie es von dort aus noch weit?«
»Nein«, antwortete sie ausweichend und drückte ihrem Pferd die Absätze in die Seiten. Sie legte ein Tempo vor, das wegen der tiefhängenden Zweige ziemlich riskant war. Bruno folgte und hielt Hector am kurzen Zügel, da er wusste, dass sein Pferd gern die Führung übernahm. Für ein Überholmanöver war aber der Pfad zu schmal.
Vor der Höhle angekommen, die für Besucher noch geschlossen war, hatte ihre bleiche Haut eine frischere Farbe angenommen, und ihre Augen leuchteten. Kaum hatte er ihr den Pfad am Ende des Parkplatzes gezeigt, der auf den Forstweg zuführte, trieb sie ihre Stute wieder an und beugte sich tief über deren Mähne, um den herabhängenden Zweigen auszuweichen. Er folgte in etwas gemächlicherem Tempo und versprach Hector, der ihr gerne nachgejagt wäre, ihm auf dem breiteren Forstweg freien Lauf zu lassen. Eugénie würde bestimmt am Ende des Pfades auf ihn warten, weil sie vermutlich nicht wusste, ob es links oder rechts weiterging. Aber offenbar hatte sie einen ausgeprägten Orientierungssinn, denn sie war ohne zu zögern richtig abgebogen und schon ein gutes Stück voraus, als Bruno unter den Bäumen auftauchte.
Das andere Pferd auf dem breiten Weg vor sich zu sehen, stachelte Hector an. Bruno spürte, wie sein Pferd die Gangart wechselte. Es reckte den Hals und legte sich ins Zeug, um zu Eugénie und ihrem Schimmel aufzuschließen. Der bewaldete Hang auf der einen und die weite Weide auf der anderen Seite flogen vorbei. Dass Eugénie eine Reitgerte bei sich trug, sah Bruno erst jetzt, als sie Gebrauch davon machte. Sie wollte anscheinend unbedingt die Führung behalten und glaubte wohl, sich mit Bruno ein Rennen liefern zu müssen. Wenn es das war, was sie wollte, dachte Bruno, hatte sie sich in Hector gründlich verschätzt, denn der besaß ungeahntes Stehvermögen und brannte darauf, selbst die Spitze zu übernehmen. Sein Pferd lief ganz entspannt, konnte aber jederzeit zulegen.
Der Weg stieg an, und Eugénies Stute fing an sich zu quälen. Ihr Kopf ging auf und ab, und Schaumflocken flogen ihr vom Maul. Eugénie richtete sich in den Steigbügeln auf und brachte wieder die Gerte zum Einsatz – sehr zu Brunos Missfallen, der gelernt hatte, dass man ein Pferd nie auf solche Weise antreiben sollte.
Der Steinbruch, eine große braune Wunde in der grünen Hügellandschaft, war nur noch rund fünfhundert Meter entfernt, als Hector gleichzog und den Schimmel mühelos passierte. Bruno hätte ein Glas Wein in der Hand halten können, ohne einen Tropfen zu verschütten – so leichtfüßig sprengte sein Pferd voran, gleichmäßig atmend und ohne Schaum vor dem Maul. Es schien, als könnte er stundenlang so weitergaloppieren. An den Wald auf der rechten Seite schloss sich ein umzäunter Park an. Hector ließ im Tempo nach. Er ahnte offenbar, dass das Rennen entschieden war. Bruno drehte sich im Sattel um und sah Eugénie gut fünfzig Meter zurückliegen. Ihre Stute schien am Ende ihrer Kräfte zu sein. Bruno tätschelte Hector immer noch und lobte ihn, als sie endlich zu ihm aufschloss.
»Verkaufen Sie Ihr Pferd?«, fragte sie.
»Niemals«, antwortete er und schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Trotzdem, danke für das Rennen und Ihre Führung.« Sie stieg aus dem Sattel und wischte mit dem Seidenschal, den sie vom Hals genommen hatte, das Maul ihrer Stute trocken, nicht ohne sich auch bei ihr zu bedanken und ihr ein paar freundliche Worte zuzumurmeln. Dann wandte sie sich Bruno zu.
»Von hier finde ich allein zurück.«
»Na gut«, sagte er, ohne sich zu rühren. »Der Weg nach Les Eyzies ist gut ausgeschildert. Lassen Sie es ruhig angehen. Ihr Pferd ist am Ende.«
Wieder ließ sie sich aufreizend viel Zeit, ehe sie schließlich entgegnete: »Ich weiß, und ich werde sie gründlich trockenreiben, wenn wir zurück sind. Der Galopp war es jedenfalls wert.«
Bruno machte kehrt, um über die Landstraße zu Pamelas
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