Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Stall zurückzureiten.
»Man hat mir gesagt, ich soll nett zu Ihnen sein, weil Sie in der Stadt eine wichtige Rolle spielen«, rief sie ihm nach. »Sie könnten unser Projekt unterstützen oder behindern. Stimmt das?«
Verunsichert drehte er sich im Sattel um. »Ich weiß nicht so recht, worauf Sie hinauswollen. Ich bin nur ein einfacher Polizist und nicht besonders einflussreich. Selbst wenn ich es wäre, hätte ich nicht über Ihr Projekt zu entscheiden. Das ist Sache des Stadtrates.«
»O doch, Sie haben Einfluss in Saint-Denis!«, beharrte sie. »Ich sollte Sie für unser Projekt gewinnen, würde Sie aber lieber einfach nur näher kennenlernen.«
Was meinte sie nun damit? Er hätte sie gern beim Wort genommen.
»Wo wohnen Sie?«, fragte er.
»Mal hier, mal da. Unterdessen versuche ich so viel Geld zu verdienen, dass ich an einem Ort meiner Wahl leben kann«, antwortete sie. Ihre Stimme verriet weder Ironie noch Koketterie.
»Sie sagen ›unser Projekt‹«, bemerkte er. »Sind mit ›unser‹ Sie und Foucher gemeint oder Sie und der Baron?«
Sie musterte ihn mit kühlem Blick, wandte sich dann plötzlich ab, trat in den Steigbügel und schwang sich in den Sattel.
»Der Baron hat das Geld, und Foucher leitet die Planung. Die Idee aber stammt von mir«, sagte sie. »Ich habe Anteile am Projekt, vielleicht nicht so viele, wie ich verdient hätte. Trotzdem bin ich entschlossen, alles daranzusetzen, dass das Projekt realisiert wird.«
Müde setzte sich ihr Pferd in Bewegung. Während er ihr nachblickte, fragte sich Bruno, welche Interessen sein Freund, der Baron, mit diesem Projekt verfolgte. Er war der größte Landbesitzer der Kommune. Vielleicht brauchten die Investoren einen Teil seines Grund und Bodens und er war bereit, ihn zu einem hohen Preis zu verkaufen. Vielleicht träumte der Baron ja immer noch davon, einen Golfplatz in der Nähe zu haben und nicht nach Siorac oder Périgueux fahren zu müssen, wenn er eine Runde spielen wollte. Bruno beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit einfach selbst zu fragen. Der Baron würde ihm offen und ehrlich Auskunft geben.
Es war schon fast dunkel, als er den Stall erreichte. Tag für Tag zwischen seinem eigenen und Pamelas Haus hin und her pendeln zu müssen, wurde ihm langsam zu viel. Als sie das erste Mal nach Edinburgh geflogen war, um sich um ihre Mutter zu kümmern, waren beide davon ausgegangen, dass sie nur wenige Tage bleiben würde, und er hatte sich gern bereit erklärt, ihr Haus zu hüten und die Pferde zu versorgen. Aber inzwischen sah er sich vor logistische Probleme gestellt. Er hatte kaum noch frische Hemden und Unterwäsche und musste häufig noch spät in der Nacht nach seinen Hühnern sehen.
Ein Lichtschein fiel in den Hof vor dem Stall, als die Tür zu Fabiolas gîte aufging und die Silhouette der jungen Ärztin im Rahmen erkennbar wurde.
» Bonsoir, Bruno. Haben Sie schon gegessen?«, rief sie.
Er ging auf sie zu, gab ihr einen Kuss auf beide Wangen und gestand, einen Riesenhunger zu haben. »Ich wollte mir gleich eine Pizza oder einen croque-monsieur in Ivans Bistro holen.«
»Ich koche gerade. Es reicht für zwei«, erwiderte sie. »Kommen Sie rein.«
»Das Risotto Ihrer Mutter?«, neckte er sie. Fabiola war stolz darauf, kaum kochen zu können, und prahlte damit, nur ein einziges Gericht zustande zu bringen.
»Nein, das Fondue meines Vaters. Die beste Nervennahrung, die es gibt«, antwortete sie. Fabiola hatte eine komplizierte Familie. Ihre Mutter war halb Italienerin, halb Französin, ihr Vater je zur Hälfte Walliser und Tessiner. Daher das Fondue.
»Schön, Sie zu sehen«, sagte er und strahlte sie an. »Ich dachte schon, Sie wollten mir aus irgendeinem Grund aus dem Weg gehen.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, entgegnete sie und ging voraus in die Küche. Abgesehen von ihren Büchern, dem aufgeklappten Laptop und einem großen gerahmten Foto von einem Bergdorf mit hoch aufragendem Felsmassiv im Hintergrund, sah ihre Wohnung noch immer genauso aus, wie sie sie bezogen hatte. »Aber zugegeben, ich habe Ihre Frage gescheut, die Sie mir zu meinem neuen Privatpatienten stellen werden, auf die ich aber keine Antwort gebe. Das wäre also geklärt. Wie geht es Ihnen?«
»Gut«, antwortete er. »Ich mache mir nur ein bisschen Sorgen um Madame Junot und versuche Hinweise auf die Identität der toten Frau zu finden, die wir aus dem Fluss gefischt haben. Außerdem habe ich mit Pamela telefoniert. Sie hat vor, für ein paar Tage
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