Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
rüberzufliegen, um zu sehen, ob sie ihre Mutter hier in Saint-Denis pflegen kann.«
Fabiola nickte. Aus dem Knoten ihrer schwarzen Haare hatten sich ein paar Strähnen gelöst. Sie streifte sie hinters Ohr und machte sich daran, eine Flasche Weißwein zu öffnen. Als sie sah, dass Bruno auf das Etikett schielte, grinste sie und hielt die Flasche so, dass er es besser sehen konnte. Es war ein Bergerac Sec von Clos d’Yvigne, einer seiner Lieblingsweine.
»Ich weiß. Pamela hat auch mich angerufen und gefragt, wie ich darüber denke. Ich halte es für keine gute Idee. Es sind schon manche an der Pflege ihrer dementen Eltern verzweifelt, und laut dem behandelnden Arzt ihrer Mutter geht es mit ihr nur noch bergab.«
»Haben Sie mit dem Arzt in Schottland gesprochen?«, fragte er und setzte sich an den Küchentisch, der bereits für zwei gedeckt war. Neben einem Rechaud in der Mitte stand eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit. Auf dem Etikett las er: Willisauer Kirsch. Fabiola musste also von Anfang an vorgehabt haben, ihn einzuladen.
»Ja, das habe ich. Die Prognose ist alles andere als gut. Und unser Seniorenheim ist für solche Patienten nicht vorbereitet. Pamelas Mutter wäre in einem Pflegeheim besser untergebracht, vorausgesetzt, sie kann es sich leisten«, sagte Fabiola und schenkte den Wein ein.
Sie nahm einen Schluck, stellte ihr Glas ab und reckte sich gähnend. Die dunklen Ringe unter den Augen ließen vermuten, dass sie nur wenig geschlafen hatte. Sie griff nach einer Packung Gitanes, die auf dem Tisch lag, und steckte sich eine an.
»Alles in Ordnung?«, fragte Bruno. Er sah sie nur selten rauchen. »Sie sehen ein bisschen niedergeschlagen aus.«
»Wen wundert’s? Frauen werden verprügelt und verzichten auf eine Anzeige. Alte Menschen haben schon den Geist aufgegeben und können nur noch atmen, Nahrung aufnehmen und ausscheiden. Und dann gibt es jede Menge Hypochonder, die für alles Mögliche Antibiotika haben wollen. Wenn ich meine Freunde und die Pferde nicht hätte, würde ich durchdrehen wie so viele meiner Kollegen. Vielleicht wird deshalb in unseren Kreisen so viel geraucht.«
Bruno hatte Fabiola noch nie in solch einer Stimmung erlebt. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sie ging zur Anrichte, auf der ein Keramiktopf mit geriebenem Emmentaler und Gruyère stand und ein in mundgerechte Stücke aufgeschnittenes Baguette bereitlag. Sie schälte ein paar Knoblauchzehen und rieb damit den Topf aus.
»Ich habe so einen Kohldampf, dass ich jetzt pfuschen werde«, sagte sie. »Eigentlich sollte man alles am Tisch zubereiten, aber das dauert mir zu lange.« Stattdessen stellte sie den Topf auf den Herd, kippte einen Schluck Weißwein und Kirschschnaps hinein, würzte mit Pfeffer und fing an zu rühren.
»Sie haben deprimierende Dinge aufgezählt. Gibt es noch was anderes, das Ihnen Sorgen macht?«
»Nein«, antwortete sie und legte eine Pause ein. Doch plötzlich sprudelte es aus ihr heraus: »Heute Nachmittag gab’s Probleme im Frauenhaus, und die Gendarmerie hat sich ewig Zeit gelassen.«
Bruno wusste, dass sich Fabiola ehrenamtlich für eine Einrichtung in Bergerac engagierte, in der misshandelte Frauen und deren Kinder Zuflucht fanden. Sie behandelte Prellungen und Schnittverletzungen, untersuchte die Kinder und beantragte bei der Stadt Unterkünfte für die Frauen, in denen sie vor ihren Männern sicher sein konnten.
»Was ist passiert?«
»Einer der Ehemänner hat herausgefunden, wo sich seine Frau aufhielt, randaliert, sie besinnungslos geschlagen und das Kind verschleppt. Das Übliche halt. Besonders ärgerlich war, dass die Gendarmerie über zwanzig Minuten gebraucht hat. Dabei haben wir endlich eine Notrufleitung installiert bekommen. Ich musste die Frau ins Krankenhaus bringen, nachdem sich der Mann ausgetobt hatte. Jetzt sind mehrere Fenster kaputt, Möbel demoliert und das gesamte Geschirr in der Küche zerschlagen. Auch an zwei freiwilligen Mitarbeiterinnen hat er sich vergriffen.«
»Wurde er festgenommen?«
»Nein. Als die Gendarmerie endlich bei ihm zu Hause war, hatte er sich schon aus dem Staub gemacht, mit dem Kind in seinem Auto. Es war nicht der erste Vorfall mit ihm, Bruno.«
Sie zündete die Kerze im Rechaud an und stellte den heißen Topf darauf. Dann brachte sie das Brot in einem Korb und zwei Salatteller, die sie schon zubereitet hatte.
»Gehört eigentlich nicht dazu, der Salat, tut uns aber gut«, sagte sie und reichte ihm eine lange Gabel mit zwei
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