Femme Fatales
dass Du sie zuvor um ihre Erlaubnis gebeten hast“, meinte Hammer.
„Pierre weiß, was er tut. Deshalb hab ich ihn ja vorgestern aus dem Urlaub zurückgeholt“, entgegnete Nolde sichtlich zufrieden mit sich selbst.
Hammer mochte nicht, dass Nolde derart von sich selbst eingenommen war. So etwas machte einen Mann unvorsichtig.
„Diese Sorte Wanzen gibt’s nicht im Supermarkt. Die Droge, die in ihrem Blut war, auch nicht. Bestätigt nur einmal mehr meine Vermutung, dass Milena von Profis gekidnappt wurde. Aber solange wir keine Ahnung haben weshalb, nützt uns das immer noch nicht viel. Und Deine These, dass diese Affäre ein Angriff gegen uns sei, stützt das auch noch nicht.“
„Sollten wir ihr sagen, dass sie überwacht wird?“, fragte Nolde irgendwann.
„Wozu? Damit sie noch n Grund mehr für ihre Angst hat? Das Einzige, was das bringt ist, dass sie dann vor lauter Panik noch irgendeinen dummen Fehler macht und der könnte sie das Leben kosten. Nein, wir überwachen sie weiter und hoffen, dass diese Typen sich bald um ihre Wanzen kümmern. Muss ich Dich jetzt noch mal daran erinnern, dass uns dieser ganze Zauber schon viel mehr gekostet hat, als Mademoiselle bei ihrem Gehalt je bezahlen kann?“
„Wir können uns das leisten, Hammer, das weißt Du“, entgegnete Nolde mit einer gewissen Schärfe im Ton.
Vier weitere Tage vergingen, ohne dass sich im Fall Fanu irgendeine neue Entwicklung ergab.
Immerhin schien Nolde eingesehen zu haben, dass es zu gefährlich sei, Milena darauf hinzuweisen, dass man sie tatsächlich beobachtete.
Allerdings hatte er zugleich auch drei weiterte Mitarbeiter zu Milenas Observationsteam beordert. Jeder von ihnen war nicht nur ein exzellenter Observant, sondern darüber hinaus auch als Bodyguard geschult, und Nolde bestand zusätzlich darauf, dass alle im Team bewaffnet waren.
3. Teil / Juli und August 2008
In den ersten Tagen nach ihrer Entführung brachte Milena ganze Nächte damit zu im Internet die Folgen von Traumata zu recherchieren.
All die Brutalität, jene offenbar nur allzu oft völlig sinn- und zwecklose Gewalt, die aus den Fallgeschichten hervorschimmerte, auf die sie während ihrer Recherchen stieß, erschien ihr zuweilen so entsetzlich, dass sie sich nur mit großer Mühe dazu zwingen konnte weiter zu machen. Milena meldete sich in dutzenden einschlägigen Foren an, las aberhunderte Webseiten und konnte doch nicht genug davon bekommen. Eine Art Sucht.
Einesteils kam sie sich im Angesicht der expliziten Beschreibungen und brutalen Bilder, die sie im Internet fand, mehr und mehr wie eine Voyeurin vor, andererseits konnte sie trotzdem nicht genug davon bekommen. Und zwar selbst auf die Gefahr hin, mit all der Gewalt, den Exzessen, Massakern und Folterungen ihr Hirn zu kontaminieren, wie man eine Müllkippe kontaminierte, die bislang nur für harmlosen Hausmüll genutzt worden war, aber nunmehr plötzlich mit toxischen Chemieabfällen überfrachtet wurde.
Irgendwann wagte sie sich einzugestehen, was der Auslöser dieser seltsamen Sucht nach immer mehr Berichten und Fallbeispielen darstellte: Es war auf eine verdrehte Art und Weise tröstlich zu wissen, dass da noch andere existierten, denen aus heiterem Himmel ganz Ähnliches zugestoßen war.
Seit ihrer Entführung litt Milena an Migräne und unerklärlichen Glieder-, Bauch- und Brustschmerzen. Zunächst hatte sie die Schmerzen noch zu ignorieren versucht. Doch hatte dies paradoxerweise nur dazu geführt, dass die stärker geworden waren. Sie hatte einen Tag Urlaub genommen und sich gründlich von einem Arzt untersuchen lassen. Der jedoch keinerlei organische Ursache für ihre Schmerzen finden konnte, ihr aber immerhin ein Rezept für irgendein Schmerzmittel ausstellte.
Milena hatte zudem den Eindruck die Welt mit anderen Augen zu sehen. Sie meinte, dass sich seither plötzlich irgendwelche Vorhänge geöffnet hätten, von deren Existenz sie früher nie etwas ahnte. Was sich hinter diesen unvermittelt geöffneten Vorhängen zeigte war eine Welt, die wesentlich dunkler, gefährlicher und instabiler war, als diejenige, in der Milena zuvor gelebt hatte.
Milena hatte sich nicht nach diesem Blick hinter die Kulissen gesehnt. Wäre ihr eine Wahl gelassen worden, so hätte sie darauf bestanden in jene andere, hellere und sicherere Welt zurückzukehren, wie sie sie aus der Zeit vor der schalldichten Zelle, der Kamera und den Spiegeln kannte.
Sicher, sie hatte auch früher TV-Nachrichten
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