Femme Fatales
oder Fleischern – sah man beim Backen, Schlachten oder Wurstmachen zu lange und intensiv hinter die Kulissen, verging einem der Appetit auf Kuchen, Fleisch und Wurst. Schließlich lasen Polizisten und Detektive auch nur ausgesprochen selten Kriminalromane. Sie wussten einfach zu gut über die triste und brutale Realität Bescheid, um noch Gefallen an der Fiktion finden zu können.
Hammers Frau Marie vermutete, dass Nolde in Milena verliebt sei, ohne dass er sich dies eingestehen konnte oder wollte. Womöglich war ja tatsächlich etwas dran, dachte Hammer. Milena war eine attraktive Frau und sie steckte entweder wirklich in Schwierigkeiten, oder sie war eine ausgesprochen begabte Lügnerin. So oder so würde sie ziemlich genau in Noldes Beuteschema passen. Denn eines stand für Hammer völlig außer Frage – sein Partner Lenin Albert Nolde, der so gern den abgeklärten Hai gab, war in Wahrheit ein Romantiker und Idealist der schlimmsten Sorte. Was die schlimmste Sorte von Romantikern ausmachte? Dass sie irgendwann einmal entweder vom Leben oder der Liebe (wahrscheinlich ja eigentlich von beiden) furchtbar enttäuscht worden waren. Kam dann jedoch eine Frau in Gefahr daher, drangen die längst begrabenen Gefühle nur umso heftiger an die Oberfläche zurück. Das war wohlähnlich wie mit den Phantomschmerzen von Amputierten. Es spielte keine Rolle für sie, dass Bein, Arm, Hand oder Finger längst in einem Krankenhausofen gelandet waren – der Schmerz, der sie in den verlorenen Gliedmaßen plagte, war für sie nur deswegen nicht weniger real.
Doch was den Fall Fanu für Hammer außerdem so besonders ärgerlich machte, war, dass in ihm eine Uhr tickte. Und mit einem kompletten Observationsteam, das sich Tag und Nacht an ihre Fersen heftete, tickte diese Uhr für Hammers Geschmack ziemlich schnell und ziemlich laut.
Nachdem auch Tag vier und fünf von Milenas Observation ergebnislos vorübergegangen war, begann Hammer damit Nolde Memos zu schicken, in denen er akribisch die Kosten der Observation gegen den unzureichenden Vorschuss aufrechnete, den Nolde von Milena akzeptiert hatte.
So regelmäßig wie Hammer ihm die Memos zukommen ließ, so regelmäßig wurden sie jedoch von Nolde ignoriert. Er ging mit keinem Wort darauf ein, sobald sie sich im Büro über den Weg liefen oder gemeinsame Besprechungen abhielten.
Umso erstaunter war Hammer, als Nolde ihn am Freitagnachmittag in sein Büro bat, um neue Entwicklungen im Fall Fanu zu besprechen.
Nolde war nicht allein im Büro.
Pierre Colani, ein Abhörtechniker, saß in Noldes Besuchersessel und schien alles andere, als erfreut zu sein.
Hammer konnte Colanis Frustration nachvollziehen: Eigentlich hätte Colani im Urlaub sein sollen, aber Nolde musste ihn von dort zurückgerufen haben.
Nolde nickte Hammer zerstreut zu, während er ihm mit einer Geste einen Platz anbot.
„Hallo Pierre“, begrüßte Hammer Colani. „Urlaub schon vorbei? Irre wie schnell die Zeit vergeht, was?“
Pierre bedachte Hammer mit einem zornigen Blick.
Nolde warf Hammer etwas zu, das aussah, wie ein etwa zwanzig Zentimeter langer, sehr dünner Faden mit einer etwa zehn Millimeter großen Verdickung an einem Ende.
Hammer fing ihn auf und sah ihn sich an.
„Glasfaserwanze. Neuestes Modell. Sauteuer. Nicht zu teuer für uns. Aber um Größenordnungen zu kostspielig für alles, was für die Flics arbeitet“, verkündete er und legte die Wanze wieder auf Noldes Schreibtisch zurück.
„Die hat Pierre heute Morgen in Milenas Appartement gefunden.“
Hammer stieß einen Pfiff aus.
„Da waren noch acht mehr davon“, sagte Pierre.
„Waren die aktiviert?“, fragte Hammer.
„Nicht, als ich sie gefunden habe. Aber sie können auch noch nicht lange dort eingebaut gewesen sein. An einigen Stellen war die Farbe, mit der sie getarnt waren, noch nicht ganz durchgetrocknet, obwohl es ziemlich warm in ihrer Wohnung ist. Die restlichen sieben habe ich dort gelassen für den Fall, dass die demnächst aktiviert werden sollten. Eine Wanze kann schon mal ausfallen, das würde keinen wundern, der schon länger als nur n paar Tage mit den Dingern umgeht. Dachte daher, dass es kein Problem ist, wenn ich die eine mal mitbringe.“
„Das war ganz richtig so“, sagte Nolde und wies zur Tür. „Danke, Pierre. Wir sehen uns später.“
Colani nickte Nolde und Hammer nacheinander zu und verließ das Büro.
„War ein Risiko ihn Milenas Wohnung durchsuchen zu lassen. Zumal ich bezweifle,
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