Fenster zum Tod
Ihnen eine Wagen, Sir. Aber –«
»Ich muss Schluss machen.«
Ich wollte die Wartezeit bis zum Eintreffen der Polizei nicht mit Diskussionen mit der Telefonistin verplempern.
Allmählich wuchs sich mein banges Gefühl zur Panik aus. Ich trat auf die Veranda, von der aus ich die Straße beobachten und einen Blick auf das etwa dreihundert Meter entfernt gelegene Grundstück unseres nächsten Nachbarn werfen konnte. Der war vor ein paar Jahren gestorben, und jetzt lebte seine Witwe dort allein. Mehr konnte ich im Moment nicht tun, es sei denn, ich wollte sie aus dem Bett werfen.
Von der Stadt her kam ein Wagen angefahren. Als er sich unserer Zufahrt näherte, verringerte er die Geschwindigkeit und rollte auf das Bankett. Der Kies knirschte unter den Rädern.
Jetzt bog er in die Zufahrt ein und kam auf das Haus zu. Von Unruhe erfüllt ging ich dem Auto entgegen. Brachte da jemand Thomas oder schlechte Nachricht über ihn nach Hause?
Die Scheinwerfer blendeten mich. Ich konnte nicht erkennen, was für ein Wagen es war, und auch nicht, ob außer dem Fahrer noch jemand darin saß. Er parkte so neben meinem, dass ich, als die Beifahrertür aufging, zwar Thomas aussteigen, nicht aber sehen konnte, wer hinter dem Steuer saß.
»Thomas! Wo zum Teufel hast du gesteckt?«
Er hielt etwas in der Hand. Es war etwa halb so groß wie ein Klemmbrett. Ich identifizierte es als einen Tablet-PC, eines dieser Hightech-Dinger, mit denen man tausend Dinge anstellen konnte, unter anderem im Web surfen. Thomas schien überhaupt nicht auf die Idee gekommen zu sein, dass ich mir Sorgen um ihn machen könnte. »Ich war essen. Fettuccine. Das Ding ist um Klassen besser als das GPS in deinem Auto. Was hast in New York rausgefunden? Ich will alles hören. Gehen wir rein, es ist kalt hier draußen.«
Er spazierte an mir vorbei, stieg die Verandastufen hinauf und ging ins Haus.
Ich hörte, wie eine Wagentür sich öffnete und zufiel. Sekunden später kam jemand auf mich zu und lächelte mich an.
»Hey«, sagte Julie. »Dein Bruder ist schon eine Nummer. Wir haben uns köstlich unterhalten. Und das mit dem Kopf in der Tüte, das ist ja eine abgefahrene Geschichte!«
Zweiunddreißig
E he ich ein weiteres Wort an Thomas oder Julie richtete, rief ich von meinem Handy aus noch einmal die Polizei an, um zu sagen, dass mein Bruder wohlbehalten zurückgekehrt war. Dann wandte ich mich an Julie. »Was war denn los?«
»Du hast gesagt, ich soll mal reinschauen. Ich habe reingeschaut. Du warst unterwegs. Thomas war zu Hause. Er überlegte gerade, was er sich zum Abendbrot machen sollte, da habe ich ihn gefragt, ob er essen gehen will, und er hat ja gesagt. Bietest du mir jetzt was zu trinken an oder muss ich nüchtern heimfahren?«
»Was hast du rausgefunden?«, rief Thomas. Er war wieder aus dem Haus gekommen und stand mit dem Tablet in der Hand auf der Veranda.
»Jetzt wart mal einen Moment«, sagte ich zu ihm. »Ich komm ja gleich.« Und zu Julie: »Wo hat er dieses Ding her?«
»Ich hab’s ihm geliehen. Ich hab ihm gezeigt, wie man damit Landkarten ansehen kann, wo immer man will. Dass man dafür nicht die ganze Zeit am Schreibtisch sitzen muss.«
»Ich möchte auch so eins, Ray«, sagte Thomas. »Kannst du mir eins besorgen?«
»Thomas«, sagte ich, und langsam wurde ich ärgerlich, »ich komme gleich rein.«
Thomas ging ins Haus zurück.
»Er hat recht«, sagte Julie.
»Womit?«
»Wie du mit ihm redest«, sagte Julie. »Er hat gesagt, du bist fies zu ihm.«
»Ich bin doch nicht – hat er das echt gesagt?«
Julie nickte und sagte ohne Umschweife: »Ja, das hat er mir gesagt.«
»Ich bin nicht fies zu ihm. Ich gebe mein Bestes.«
Sie lächelte. »Ganz bestimmt.«
»Du machst dich lustig über mich.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Kann sein. Hör mal, ich glaub, ich mach mich jetzt auf –«
»Nein, komm rein«, sagte ich. »Dann kannst du mir verklickern, was für ein grässlicher Bruder ich bin.«
»Wie viel Zeit hast du?«
Wir stiegen die Verandastufen hinauf. »Ich wundere mich, dass du ihn rauslocken konntest. Er geht nicht gerne aus dem Haus.«
»Das Tablet hat da sehr geholfen. Und die Aussicht auf Kentucky Fried Chicken.«
»Dann wundert mich nichts mehr.«
Als wir das Wohnzimmer betraten, konnte man Thomas oben schon klicken hören. »Komm rauf!«
»Ich muss zu ihm«, sagte ich.
»Kommst du mit?« Sie nickte. »Du solltest dich aber auf einiges gefasst machen.«
»Thomas hat’s mir schon gezeigt«, sagte
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