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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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wieder, schloss die Tür und knipste das Licht in der Diele aus, und das ganze Haus lag plötzlich im Dunkeln. Und Muschalik fragte sich, wie sie damit fertig wurde, jetzt keinen Sohn mehr zu haben.

15. Kapitel
    Als Kraft sich am nächsten Tag bis neun Uhr noch nicht bei Muschalik gemeldet hatte, fuhr dieser kurzerhand zu ihm.
    »Mir geht es nicht besonders gut«, sagte Kraft mit einer erbärmlichen Stimme. Er lag wie der arme Poet in seinem Bett aufgebahrt. Die Beule an seiner Schläfe war größer geworden und begann sich blau zu färben.
    Nach einem Blick ins Wohnzimmer fand Muschalik die Kinder in Schlafanzügen vor dem Fernseher. »Geht es dir schon besser?«
    Kraft schüttelte den Kopf: »Vielleicht morgen, wenn überhaupt. Ich habe einen Rückfall, eine Depression.«
    »Kann es sein, dass du dir etwas vormachst? Glaubst du vielleicht, so mit dem Alleinsein fertig zu werden? Das funktioniert nicht. Ich bin Witwer. Ich weiß, wovon ich rede.«
    Aber heute erwischte er Kraft auf dem falschen Fuß. »Ach ja? Reden wir doch mal über dein Leben«, sagte er und wurde plötzlich aggressiv.
    »Mein Leben ist in Ordnung.«
    »Bist du sicher? Warum bist du dann hier?«
    Muschalik fiel nicht sofort die passende Antwort ein, aber es gab eine, da war er ganz sicher. Dankbar hörte er das Telefon neben Kraft klingeln. Kraft wollte nach dem Hörer greifen, aber Muschalik hinderte ihn daran. Es klingelte weiter.
    »Geh schon dran«, sagte Kraft.
    Muschalik meldete sich mit einem mürrischen: »Ja, bitte.«
    »Wer sind Sie?«, fragte eine vorsichtige Frauenstimme.
    »Und Sie?«
    »Ich bin Rosa Kraft.«
    »Ich bin Lorenz Muschalik«, sagte er.
    »Ist Olaf nicht da?«
    »Doch, aber er ist krank.«
    Es war still am anderen Ende der Leitung.
    »Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich jetzt losfahre. Ich bin in circa zwei Stunden da.«
    »Ich sage es ihm.«
    »Was hat er denn?«
    »Keine Ahnung.«
    Rosa schwieg, endlich sagte sie: »Sie sind sein Freund, nicht wahr?«
    »Kann sein.«
    »Passen Sie auf ihn auf, ja?«
    Rosa Kraft beendete das Gespräch, und Muschalik saß mit dem Hörer in der Hand da und versuchte, sich einen kurzen Moment das Gesicht vorzustellen, dass zu dieser Stimme passte. Aber Kraft nahm ohne zu zögern den Faden wieder auf.
    »Also, wenn dein Leben in Ordnung wäre, hättest du diesen Fall nicht an dich gerissen wie ein Ertrinkender einen Strohhalm.«
    »Ich ertrinke nicht.«
    »Du solltest aufhören zu tun, als hättest du die Wahrheit gepachtet.«
    Muschalik brummte etwas Unverständliches.
    »Gib doch endlich zu, dass …«
    »Ich gebe überhaupt nichts zu.«
    Muschalik stand auf und wollte gehen. Er war nicht hierher gekommen, um sich Vorwürfe anzuhören.
    »Wartest du nicht, bis Rosa kommt?«, fragte Kraft. »Du wolltest sie doch kennen lernen.«
    »Nein, die Arbeit geht vor.«
    »Ich kann leider nicht mitfahren.«
    »Du siehst furchtbar mit deiner Beule aus. Rosa wird einen Schreck bekommen. Sie klang übrigens sehr nett.« Muschalik konnte es nicht lassen.
    »Vergiss es, Lorenz, es gibt keine kölsche Lösung.«
    »Was verstehst du schon davon, du Hesse.«
    * * *
    Von der Antwerpener Straße fuhr er direkt nach Duisburg. Er war wütend und fuhr schneller als sonst. Zweimal jagte er mit der Lichthupe einen Bummler von der linken Spur. Der alte Opel gab sein Letztes. Um von seinen eigenen Problemen abzulenken, hatte Kraft mit sicherem Gespür eine Wunde getroffen, von der Muschalik glaubte, dass es sie nicht gäbe oder zumindest niemand außer ihm selbst davon wisse. Sie war klein und oberflächlich und würde bald von selbst verheilen, wenn er sie nicht beachtete.
    In Duisburg schlenderte er zunächst durch den Zoo und versuchte vorurteilsfrei Vergleiche anzustellen und musste an den Bericht in der letzten Zeitschrift der Freunde des Kölner Zoo denken. Darin war der Kölner Zoo laut einer Untersuchung des Stern nicht umsonst zur Nr. 1 in Deutschland gewählt worden. Auch wenn nur zwei Journalisten aus dem Blickwinkel des ganz normalen Zoobesuchers dieses Ranking aufgestellt hatten – und keine Fachleute mit den entsprechenden Hintergrundinformationen –, so war ihr Urteil in einer überregionalen Zeitschrift wie dem Stern doch ein Riesen-Kompliment für die Kölner, die das natürlich immer schon gewusst hatten.
    Muschalik wartete eine Zeitlang an der Anlage der Braunbären auf einen Tierpfleger, den er hätte ansprechen können – umsonst. Schließlich sah er drei Zoomitarbeiter in ihrer

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