Fenster zum Zoo
für einen Mord. Aber die Dinge haben sich vielleicht geändert.«
»Ben war noch so jung«, sagte Frau Krämer mit unterkühlter Stimme und zog an ihrer Perlenkette, »er hatte noch alles vor sich.«
»Wir würden gern mehr über ihn erfahren. Hatte er eine Freundin?«, fragte Kraft sie.
»Nein, die Hoffnung auf eine Schwiegertochter hatten wir längst aufgegeben. Leider.« Krämer stellte sich hinter seine Frau und legte die Hände beschützend auf ihre Schultern und erklärte verlegen: »Ben war homosexuell.«
»Schwul?«, fragte Kraft, »na und?«
»Ich wollte nur, dass Sie es wissen. Er hat keinen Hehl daraus gemacht. Wir fanden nicht immer, dass es notwendig ist, es allen zu sagen. Das war übrigens auch ein Grund für ihn, von Wiesbaden nach Köln zu ziehen. Köln soll ja in dieser Beziehung eine recht offene Stadt sein.«
»Das ist in diesem speziellen Fall nicht unerheblich, normalerweise hat es, denke ich, keine Bedeutung«, sagte Muschalik umständlich, er hatte sich immer noch nicht gesetzt.
»Dann hatte er sicher einen Freund?«, fragte Kraft.
»Ben lebte wie gesagt in Köln. Wir kennen seine … so genannten Freundschaften nicht«, sagte Frau Krämer.
»Hat er mal den Namen Jartmann erwähnt? Thomas Jartmann?«
»Sie meinen den Namen des anderen Toten? Nein.« Frau Krämer zog ihren schwarzen Rock glatt und sah auf ihre Fingernägel.
»Dann würden wir jetzt gern die Posthum Ausstellung sehen, von der Sie gesprochen haben«, sagte Muschalik.
»Jetzt?«, fragte sie erschrocken.
»Ja. Warum nicht? Wir kommen aus Köln. Wir möchten nicht ein zweites Mal kommen müssen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Was spricht dagegen?«
»Nichts. Sie ist noch nicht ganz fertig, aber mein Mann wird sie hinfahren.«
Sie gab ihrem Mann mit der Hand ein Zeichen, und er gehorchte, bot Muschalik und Kraft an, sie in seinem silbergrauen BMW mitzunehmen. Aber die beiden wollten lieber im eigenen Auto folgen, um dann von der Ausstellung aus direkt wieder nach Hause fahren zu können.
* * *
Krämer gehörte eine kleine Galerie in der Innenstadt. Die zwei Schaufenster lagen hinter Gittern und zeigten moderne Kunst. Hinter den ausgestellten Bildern verbarg ein roter Vorhang das Innere.
»Ich wäre selbst gern Maler geworden«, gestand er, als er die Tür aufschloss, »Ben hat die künstlerische Ader von mir geerbt.«
Jetzt war die Galerie die Gedenkstätte für den toten Sohn.
»Suchen Sie ein bestimmtes Foto?«, fragte er, als Muschalik und Kraft ziellos in der kleinen Ausstellung hin und her liefen. Sie erkannten einige der Fotos wieder, die sie in Ben Krämers Wohnung in Mülheim in der Augustastraße gesehen hatten, die meisten aber sahen sie zum ersten Mal.
»Komm mal her«, rief Muschalik endlich hinter einer Pappwand. »Sieh dir das an.« Er zeigte auf ein kleines, etwas verwackeltes Foto, auf dem Ben Krämer und Jartmann vor einer Holzhütte in einem Wald abgebildet waren. Auf der kleinen Veranda hinter ihnen standen zwei Rucksäcke, daneben eine geöffnete Flasche Wein. Über dem Eingang befand sich ein Schild, aber die Schrift war unscharf. Schräg fiel das Sonnenlicht durch die Baumreihen. Sie trugen beide Shorts, T-Shirt und Sandalen. Ben Krämer hatte sich von seiner Kameraausrüstung getrennt und einen Strohhut auf seine langen dunklen Haaren gesetzt. Jartmann machte Faxen und winkte ausgelassen mit einem Baguette in die Kamera. Sie hielten sich an den Hüften umschlungen und waren braun gebrannt, sie sahen glücklich aus. »Pyrenäen, im September«, stand darunter. Die Jahreszahl fehlte.
»Wer hat das Foto wohl gemacht?«
»Der Selbstauslöser?«, vermutete Muschalik und zeigte auf eine Reihe anderer Fotos, auf den jeweils nur Ben Krämer oder Jartmann zu sehen waren.
Krämer war zu ihnen gekommen.
»Das ist er«, erklärte Muschalik. »das ist Thomas Jartmann.«
Krämer war entsetzt.
»Ben hat oft von den Pyrenäen gesprochen. Sehen Sie, die anderen Fotos sind auch dort gemacht worden. Dort hat er zum ersten Mal Bären in Freiheit gesehen. Aber den Namen Jartmann hat er nie erwähnt. Wahrscheinlich haben sie sich danach aus den Augen verloren. Ben hatte wechselnde Freundschaften. Er hielt es nie lange mit einem aus. Er war sehr unstet. Schnell zu begeistern, aber genauso schnell verlor er auch wieder jedes Interesse.« Er nahm das Foto ab, reichte es Kraft und fügte hinzu: »Dann wollte dieser Jartmann wohl Bens Tod aufklären. Wenigstens einer.«
»Aber eine tödliche Absicht«,
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