Fenster zum Zoo
Honigtest machen, ehe wir es an die große Glocke hängen.« Muschalik freute sich schon auf das Experiment.
Als Kraft die Kinder bei Lise Becker abholte, erteilte er ihr den Auftrag, alle Speditionen und Autovermietungen in Köln, Duisburg und Umgebung anzurufen. Die Duisburger Zoomitarbeiter konnten sie erst am Sonntag befragen. Einer Reise nach Wiesbaden stand nun nichts mehr im Wege.
14. Kapitel
Am Samstag, dem 5. August, saß Frau Kruse mit ihrem Strickzeug und den Zwillingen in der Küche in der Florastraße und war zu allem bereit. Kraft hatte erklärt, dass er und Muschalik aus dienstlichen Gründen unterwegs seien. Der Zielort und die zu ergreifende Person dürften mit keinem Wort erwähnt werden, weil es sich um eine äußerst geheime und obendrein lebensgefährliche Angelegenheit handelte. Frau Kruse war erbleicht und hatte einige Maschen verloren.
Kraft sagte auf dem Weg nach Wiesbaden kein einziges Wort.
»Eigentlich habe ich samstags immer Putztag«, brach Muschalik endlich das Schweigen, »ich hatte heute vor, zum ersten Mal die Wohnzimmergardinen zu waschen, bisher habe ich sie immer in die Reinigung gebracht.«
»Soso«, sagte Kraft.
»Hast du schon mal Gardinen gewaschen? Hast du einen Trick?«
»Nein.«
»Betty hat sie immer eine Nacht lang in der Badewanne eingeweicht. Ein bisschen Essig wirkt Wunder, weißt du? Und sie hat die ganze Nacht das Licht im Bad angelassen.«
»Gut zu wissen«, sagte Kraft ohne Interesse.
»Natürlich muss man das Waschmittel vorher ins Wasser geben, damit es sich gut verteilt. Ich werde es mit einem Kochlöffel verrühren, bevor ich die Gardinen und den Essig dazugebe.«
»Aha.«
»Morgen hätte ich sie dann auswaschen, ausspülen und aufhängen können.«
»Ja.«
»Nass natürlich. Gardinen muss man nass aufhängen. Tropfnass, hat Betty immer gesagt. Dazu lege ich vorher eine Plastikplane auf den Teppichboden.«
»Ach, Lorenz, lass mich mit deinen Gardinen in Ruhe.«
»Da stehst du drüber, was? Dafür bist du dir zu fein?«
»Nein, das bin ich nicht, das weißt du ganz genau. Aber heute kann ich nicht über Gardinen reden.«
»Worüber denn?«
»Weiß ich nicht.«
Muschalik schwieg während einer Wegstrecke von fast zwanzig Kilometern beleidigt.
»Du kannst doch morgen auch noch Gardinen waschen, oder?«, renkte Kraft schließlich ein.
»Am Sonntag?«
»Ja, warum nicht?«
»Sonntags wäscht man keine Gardinen.«
An der letzten Autobahnraststätte vor Wiesbaden tranken sie einen Kaffee und tauschten die Plätze. Muschalik saß jetzt auf dem Beifahrersitz und ließ sich von Kraft durch Wiesbaden fahren. Dann wurde Kraft plötzlich nervös und sagte irgendetwas Undeutliches über eine Straße. Und als Muschalik nachfragte, zeigte er hinter sich und murmelte, sie wären gerade an seiner Straße vorbeigefahren, dort, wo Rosa noch immer mit den Kindern wohnte. Muschalik drehte sich um und versuchte einen Blick auf Krafts Heimat zu werfen, aber sie war schon hinter einer Wegbiegung verschwunden.
»Wiesbaden muss voller Erinnerungen für dich sein«, sagte er.
»Ja, das ist es. Hier hat alles angefangen.«
»Hoffentlich lerne ich Rosa bald kennen. Wie ist denn der neueste Stand der Dinge?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Gib nicht auf. Lade sie doch noch einmal für ein Wochenende ein. Zeig ihr Köln. Sag ihr, wie es dir geht.«
»Wie geht es mir denn?«
»Du kannst nicht in Ruhe arbeiten, die Kinder werden hin- und hergeschickt, du vermisst sie, du vermisst Rosa …«
»Mit einem Wort: beschissen.«
* * *
Die Eltern von Ben Krämer wohnten am südlichen Stadtrand in einem Bauherrenmodell, ein silbergrauer BMW wachte vor einer Doppelgarage. Eine Überwachungskamera hatte alle Bewegungen unter Kontrolle.
Sie waren beide schwarz gekleidet. Frau Krämer war blass und hatte tiefe Schatten unter den Augen. Sie saß mitten auf einem großen, schwarzen Ledersofa. Links neben ihr tickte eine Standuhr die Sekunden weg.
»Sie kommen spät«, sagte Krämer vorwurfsvoll und zeigte auf zwei Sessel gegenüber.
Muschalik sah auf die Uhr. »Es ist elf. Die richtige Zeit für Antrittsbesuche.«
»Sie wissen, wie ich es meine.«
»Wir rollen den Fall Ihres Sohnes neu auf«, erklärte Kraft und setzte sich.
»Sie haben den zweiten Mord abgewartet.«
»Das haben wir nicht. Es tut uns sehr Leid, wenn Sie das glauben. Wir wünschten, wir hätten es verhindern können. Aber wir waren sicher, dass der Tod Ihres Sohnes ein Unglücksfall war. Nichts sprach
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