Ferdinand Graf Zeppelin
Gelächter steigerte, als der ahnungslose und völlig erschöpfte junge Graf splitternackt wieder an Bord kletterte. Immerhin gelang es der »Konstanz« mit dieser Aktion, das Luftschiff und seinen unfreiwilligen Begleiter, unfallfrei zurück zur Reichsschwimmhalle zu bugsieren, wo das Haltetau endlich durchschnitten werden konnte. Es war gerade noch einmal gut gegangen!
Der Graf beschloss, sicherheitshalber auf einen weiteren Aufstieg heute zu verzichten. Eine Entscheidung, die seinem Gegner Groß gar nicht unwillkommen schien: zumindest die Miene, die der Major nun an den Tag legte, ließ eher eine gewisse Zufriedenheit erkennen, mit der er die verpasste Rundfahrt über den Bodensee zur Kenntnis nahm. Besser hätten die Vorurteile des preußischen Offiziers gegenüber der Konstruktion des Grafen Zeppelin gar nicht untermauert werden können!
Doch ein Ferdinand von Zeppelin ließ sich durch ein solches Malheur keinesfalls irritieren. Er hatte schon ganz andere Dinge durchgestanden. »Morgen werden wir die nächste Fahrt unternehmen!« gab er noch am Spätnachmittag die Parole aus. »Und dieses Mal wird es eine Überlandfahrt sein. Wir haben nun über Wasser genügend Erfahrung gesammelt und brauchen jetzt Erkenntnisse, wie sich das Schiff in den Luftströmungen über dem Erdboden verhalten wird. Notfalls, denke ich, sind wir auch für eine eventuelle Landung auf dem Boden gerüstet.«
Die Fahrt führte sie weit nach Oberschwaben hinein und bescherte ihnen tatsächlich besonders wertvolle Erkenntnisse. Allein die völlig anders gearteten Winde und Strömungsverhältnisse über dem Boden sorgten dafür, dass selbst der erfahrene Steuermann Georg Hacker die Stirn in ernste Falten legte, während er das Ruder mit beiden Händen besonders fest umklammert hielt: »Das ist schon etwas ganz anderes, als das Steuern auf hoher See, Exzellenz!«, stieß er zwischen zusammengepressten Lippen hervor, nachdem das Schiff gerade eben wieder einen harten Schlag durch eine heftige Windböe versetzt bekommen hatte. »In gewisser Weise ist das beinahe ein Sprung ins Dunkel …« Das Schiff schien tatsächlich regelrechte Bocksprünge zu vollführen, während sein Aluminiumgerippe ein ums andere Mal heftig erzitterte.
»Umso wichtiger sind diese Erkenntnisse für die geplante große Fahrt – und erst recht für die Frage, wo wir zusätzliche Stabilisatoren an unserem nächsten Luftschiff anbringen müssen«, gab der Graf mit stoischer Ruhe zurück. »Wenn die Sonne den Erdboden erwärmt, dann wirkt sich das ganz unterschiedlich auf die Luftverhältnisse aus: je nachdem, ob wir über einem Acker oder über einer Wiese unterwegs sind. Und natürlich spielt hier die entsprechende Höhe über dem Grund eine ganz besondere Rolle.«
So plausibel das alles klingen mochte, am Ende atmeten alle Teilnehmer dieser unruhigen Fahrt doch hörbar auf, als sie endlich wieder sanft auf der Seefläche vor Manzell niedergingen. Nicht nur Hugo Emil Hergesell schien ihnen etwas blass um die Nasenspitze, auch den beiden Motoreningenieuren stand offenbar nicht der Sinn nach dem einen oder anderen Späßchen, wie das nach den bisherigen Landungen sonst regelmäßig der Fall war. Sie hatten genug damit zu tun, ihre rebellisch gewordenen Magennerven in Schach zu halten. Nur Ferdinand von Zeppelin und Ludwig Dürr lächelten zufrieden in sich hinein: die Überlandfahrt hatte ihnen wertvolle Erkenntnisse beschert – unter anderem allerdings auch jene, die vom Generalstab geforderte 700 Kilometer Fahrt in diesem Jahr möglichst nicht mehr realisieren zu wollen.
Ohnehin waren die insgesamt acht Fahrten, die sie mit dem »LZ 3« zwischen dem 24. September und dem 13. Oktober 1907 absolviert hatten, zu einer triumphalen Bestätigung des Grafen Zeppelin und seiner Luftschiffidee geraten.
Mehr noch: in ganz Deutschland herrschte eine regelrechte Zeppelin-Euphorie – dank der begeisternden Berichte, die Hugo Eckener nach seiner Fahrt überall in den Zeitungen hatte platzieren können. Die Volksseele hatte sich endgültig auf die Seite des »Luftgrafen« geschlagen
Die Tatsache, dass ihn die Stadt Friedrichshafen am 8. Oktober 1907, zwei Monate nach seinem 69. Geburtstag, mit der Ehrenbürgerwürde auszeichnete, nahm Ferdinand von Zeppelin schmunzelnd, aber gleichwohl nicht ohne Rührung zur Kenntnis, »auch wenn ich mich natürlich frage, weshalb sie wohl nicht bis zu meinem 70. Geburtstag im nächsten Jahr haben warten können.«
»Sie werden vermuten, dass
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