Ferien Auf Saltkrokan
dem Wasser ist.«
»Aber eigentlich war das auch gar nicht so übel«, sagte Niklas. Sie aßen und genossen und fanden immer mehr, daß dies trotz allem wohl ein schöner Tag gewesen war.
»Hauptsache, man bewahrt die Ruhe«, sagte Melcher und nahm sich noch ein Kotelett. Er hatte sich umgezogen und war trocken und so glücklich, daß es um ihn herum leuchtete.
»Soso, findest du«, sagte Malin.
Melcher nickte nachdrücklich. »Ja, sonst kann man nicht in den Schären leben. Ich geb zu, ich war nahe daran, ein bißchen unruhig zu werden, aber dank deiner Beruhigungstablette, Märta …«
»Da bist du wenigstens hinter der Nase ruhig geworden«, sagte Nisse. »Aber im übrigen …«
»Im übrigen bin ich voll des Dankes«, sagte Melcher. Und wahrlich, das war er. Das Gemurmel um den Tisch nahm zu, die Kinder waren berauscht vom Essen und der Wärme und davon, daß sie wieder daheim waren nach dem Nebel, der wie ein Alptraum gewesen war. Melcher hörte die Stimmen seiner Kinder, und deshalb war er voller Dank. Er hatte sie alle um sich, keines war untergegangen und trieb unter Wasser mit Haaren wie wogendes Seegras.
»Und alle atmen sie, froh und gesund,
und keiner fehlt in unserem Kreis«,
sprach er leise vor sich hin. Malin guckte schräg über den
Tisch zu ihm hinüber.
»Was murmelst du da vor dich hin, Papa?«
»Nichts«, sagte Melcher.
Erst als Malin sich wieder Björn zuwandte, sprach er leise die Fortsetzung:
»Der Tag geht zur Neige, das Feuer verglimmt, bald ist es erloschen. Schnell ist sie vorüber, die glückliche Zeit, da keiner fehlt in unserem Kreis.«
Und dann wurde es Mittsommer …
Mittsommer war es, ein strahlend heller Mittsommertag, und was fiel Malin ein? Den ganzen langen Vormittag saß sie hinter der Fliederhecke im Gras und schrieb in ihr Tagebuch, und als Johann sich ihr einschmeichelnd näherte, sagte sie kalt und ohne auch nur aufzublicken: »Geh weg!«
Worauf Johann kleinlaut zu seinen Brüdern zurückging und berichtete: »Sie ist noch immer böse!«
»Tsss, sie sollte lieber dankbar sein«, sagte Niklas. »Jetzt hat sie ja was zu schreiben gekriegt. Aus dem Tagebuch würde nie etwas werden, wenn sie uns nicht hätte.«
Aber Pelle machte ein reuevolles Gesicht.
»Dann hätte sie aber vielleicht lustigere Sachen reinzuschreiben. Was sie so lustiger findet, mein ich.«
Sie schauten betrübt in Malins Richtung, und Johann sagte: »Diesmal schmiert sie bestimmt was Schreckliches rein.«
Gestern war Mittsommerabend* [ Der Tag vor der Sommersonnenwende ], schrieb Malin. Und ein Mittsommerabend, den ich nie vergessen werde. Aber sicherheitshalber will ich in einem kleinen Nachruf festhalten, was geschehen ist. Diese Zeilen werde ich meiner jungen Tochter aushändigen, falls ich einmal eine kriege und sie vielleicht an einem Mittsommerabend glühend vor Glück nach Hause kommt und fragt: »Hast du es auch so schön gehabt, als du jung warst, Mama?« Dann werde ich unmutig auf ein paar vergilbte Tagebuchblätter zeigen und sagen: »Hier kannst du sehen, wie es deiner armen Mutter erging, nur wegen deiner kleinen, abscheulichen Onkel.«
Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben – die abscheulichsten kleinen Onkel der Welt können den lieblichen Glanz über einem Mittsommer auf Saltkrokan nicht trüben. Den Glanz und die Schönheit und die Freude eines Sommers, der jetzt um uns herum blüht, das kann keiner kaputtmachen. Über der ganzen Insel liegt der Duft von Steinbrech und Kälberkropf und Mädesüß und Klee, Margeriten schwanken an jedem Grabenrand, und Butterblumen leuchten im Gras, der rosa Schaum der Heckenrosen legt einen Schleier über unsere armseligen grauen Felsbuckel, und in den Spalten sprießen wilde Stiefmütterchen. Alles duftet, alles blüht, alles ist Sommer, und jeder Kuckuck ruft, alle Vögel zwitschern und singen, die Erde freut sich, und ich freue mich auch. Hoch über meinem Kopf fliegen die Schwalben in schnellen Bögen, während ich hier sitze und schreibe. Sie nisten unter den Dachziegeln des Schreinerhauses und sind die nächsten Nachbarn von Pelles Wespen; ich glaube allerdings nicht, daß sie näher miteinander verkehren. Die Gesellschaft der Schwalben mag ich und die der Hummeln und Schmetterlinge, die um mich herumfliegen und flattern, ich wäre aber dankbar, wenn du es unterließest, Johann, die Nase hinter der Hausecke hervorzustecken, denn ich bin auf euch alle böse und gedenke das auch noch eine ganze Weile zu sein, wenn ich es über mich
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