Ferien Auf Saltkrokan
erstaunt.
»Hier steht ›Dieser Tag ein Leben‹ – das bedeutet, man soll gerade an diesem Tag so leben, als hätte man nur diesen einen. Man soll auf jeden einzigen Augenblick achtgeben und spüren, daß man wirklich lebt.«
»Und da findest du, ich soll abwaschen«, sagte Niklas vorwurfsvoll zu Malin.
»Weshalb nicht«, antwortete Melcher darauf. »Zu merken, daß man etwas ausrichtet, etwas mit seinen eigenen Händen tut, so etwas steigert ja gerade das Lebensgefühl.«
»Dann möchtest du vielleicht abwaschen?« schlug Niklas ihm vor.
Aber Melcher sagte, er habe einen ganzen Haufen anderes zu tun, genug, daß sein Lebensgefühl sich den ganzen Tag lang auf der Höhe befinden werde.
»Was ist denn das, Lebensgefühl?« fragte Pelle. »Sitzt so was in den Händen?«
Malin schaute ihren kleinen Bruder zärtlich an.
»Bei dir sitzt es, glaube ich, in den Beinen. Wenn du sagst, du hast so viel Gerenne in den Beinen, dann ist das Lebensgefühl.«
»Tatsächlich?« sagte Pelle erstaunt; wie viel es doch gab, was man nicht wußte, und dabei war man doch ein Mensch und keine Wespe.
Die Wespen wußten vielleicht nicht, daß heute der 18. Juli war, es war ihnen aber völlig klar, daß ihnen auf einem Tisch an der Giebelseite des Schreinerhauses Marmelade in einer Schale angeboten wurde, und sie kamen in solchen Mengen angeschwirrt, daß Malin sie ärgerlich verscheuchte. Eine davon beschloß, sich zu rächen. Anstatt sich aber auf Malin zu stürzen, ging sie ungerechterweise auf den armen, unschuldigen Melcher los und stach ihn in den Nacken. Melcher fuhr mit Gebrüll hoch und versuchte, ebenso ungerecht, eine Wespe totzuschlagen, die auf dem Tisch herumkroch und nichts Böses getan hatte. Aber Pelle hielt ihn zurück.
»Laß das«, schrie er, »laß meine Wespen in Ruhe! Die möchten doch auch so leben, so, wie du sagst.«
»Was hab ich gesagt?« fragte Melcher. Er konnte sich nicht erinnern, daß er etwas über Wespen geäußert hätte.
»Dieser Tag ein Leben oder wie es gleich war«, sagte Pelle.
Melcher ließ das Buch sinken, mit dem er gerade die Wespe hatte totschlagen wollen.
»Na ja, natürlich, ich mag es aber nicht, wenn sie den Tag damit beginnen, ihren Stachel in mein Genick zu bohren.«
Aber dann klopfte er Pelle liebevoll auf die Wange.
»Du bist zweifellos der tierliebendste kleine Bengel der Welt«, sagte er. »Schade, daß du nicht ein bißchen nettere Haustiere hast.«
Er griff sich ans Genick. Es brannte, aber er wollte sich nicht durch eine Wespe den Morgen verderben lassen. Entschlossen stand er vom Tisch auf. Dieser Tag ein Leben, genau, und er wußte auch, was er machen wollte!
In dem Augenblick brauste ein großes Motorboot auf den Bootssteg zu. Als Johann und Niklas sahen, wer es lenkte, guckten sie einander finster an.
»Ich dachte, wir hätten ihn in der Mittsommernacht endgültig vergrault«, sagte Johann.
Aber Krister hatte offensichtlich alles vergessen, außer daß Malin das hübscheste und blondeste Mädchen in Reichweite hier in den Schären war. Hätte es auf einer anderen Insel eine gegeben, die hübscher und blonder gewesen wäre, so hätte er sein Motorboot vielleicht dorthin gelenkt. Jetzt aber war Melchersons Bootssteg der beste Ankerplatz, den er sich denken konnte.
»Hej, Malin!« rief er. »Kommst du ein bißchen mit raus aufs Wasser?« Ihre drei Brüder hielten den Atem an. Wollte sie wirklich im Motorboot abhauen? Wie sollten sie sie dann bewachen?
Malins Miene hellte sich auf. Man merkte, daß sie nichts gegen eine Bootsfahrt einzuwenden hatte.
»Was meinst du, wie lange wir wegbleiben?« rief sie zurück.
»Den ganzen Tag«, schrie Krister. »Nimm den Badeanzug mit, falls wir eine passende kleine Badeinsel finden.«
Johann schüttelte warnend den Kopf.
»Überleg dir's. Dieser Tag ein Leben – willst du wirklich ein ganzes Leben mit diesem Kerl zubringen?«
Malin lachte. »Es ist natürlich lustiger, zu Hause zu bleiben und abzuwaschen und zu kochen, aber ich muß doch dafür sorgen, daß ihr hin und wieder auch mal Spaß habt.«
»Nett von dir«, sagte Niklas.
Malin schaute fragend zu ihrem Vater hinüber.
»Meinst du, ihr könnt allein fertig werden?«
»Und ob«, sagte Melcher. »Überlaß nur alles deinem begabten Vater. Was gibt's zu essen?«
»Nichts«, gestand Malin. »Aber du kannst ja ein bißchen Hackfleisch bei Märta kaufen und Frikadellen machen, die lassen das Lebensgefühl um etliche Meter in die Höhe schnellen.«
Melcher
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