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Ferien Auf Saltkrokan

Ferien Auf Saltkrokan

Titel: Ferien Auf Saltkrokan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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den Seehund behalten, bis er groß sei, daß man einigen Nutzen von ihm haben könne?
    »Zum Kuckuck mit deiner Lügerei!« rief Tjorven. »Du hast gesagt, ich könnte ihn ganz für mich behalten. Das hast du gesagt!«
    Wahrscheinlich schämte sich Vesterman irgendwo in seiner gierigen Seele und wurde daher noch ruppiger. Er brauche Tjorven nicht um Erlaubnis zu fragen, sagte er, wenn er seinen eigenen Seehund verkaufen wolle, und verkauft werden solle er, das stehe fest. Denn er, Vesterman, brauche dringend Geld, und wenn Tjorven keine Vernunft annehmen wolle, so würde er zu ihrem Vater gehen und mit dem reden.
    »Das tue ich schon selber, wahrhaftig!« schrie Tjorven und weinte vor Zorn.
    »Du Dummer«, sagte Stina und stieß mit ihrem kleinen Fuß nach Vesterman, und da ging er.
    »Warte nur, bis ich mit Nisse geredet habe«, sagte er.
    Tjorven stand da, keuchend vor Wut.
    »Nie im Leben!« brüllte sie. »Nie im Leben kriegst du Moses!«
    Dann rannte sie los. »Komm, Stina, wir müssen Pelle suchen.«
    Mit den Eltern konnte sie im Augenblick nicht sprechen, weil der Laden voller Leute war, aber in der Stunde der Not konnte man zu Pelle seine Zuflucht nehmen, das wußte Tjorven, und der mußte erfahren, was Schreckliches bevorstand.
    Pelle schüttelte betrübt den Kopf, als er die grausige Neuigkeit vernommen hatte. »Es nützt nichts, daß du mit deinem Papa sprichst«, sagte er. »Du kannst ja nicht beweisen, daß Vesterman dir versprochen hat, du dürftest Moses ganz für dich behalten, und dann weiß Onkel Nisse nicht, was er machen soll.«
    Stina pflichtete ihm bei. »Nee, dann muß er zu Tante Märta gehen und die fragen.«
    Aber Pelle schüttelte wieder den Kopf. Es gebe nur einen Ausweg, sagte er, und das sei, Moses irgendwo zu verstecken, wo Vesterman ihn nicht finden könne.
    »Wo denn zum Beispiel?« fragte Tjorven.
    Pelle grübelte ein Weilchen nach, und plötzlich wußte er es.
    »In der Toten Bucht«, sagte er.
    Tjorven sah ihn voller Bewunderung an.
    »Pelle, weißt du was«, sagte sie, »du hast bessere Einfälle als irgend jemand sonst.«
    Pelle hatte recht, natürlich hatte er recht. Mama und Papa sollten nicht in diese Sache hineingezogen werden. Wenn Vesterman dann zu ihnen ging und nach Moses fragte, dann konnten sie wahrheitsgemäß antworten: »Wir wissen nicht, wo er ist. Sieh du nur selber zu, wo du ihn findest.«
    Und das würde Vesterman schwerfallen, oje, wie schwer ihm das fallen würde.
    Früher, vor Hunderten von Jahren, lag das Dorf auf Saltkrokan nicht an seinem jetzigen Platz, sondern an einer Bucht auf der Westseite der Insel. Aber einmal in einem Krieg kamen fremde Soldaten und brannten das ganze Dorf nieder, und dann bauten sich die Saltkrokanbewohner neue Häuser sicherheitshalber auf der entgegengesetzten Seite der Insel. Vom ehemaligen Dorf war nichts weiter übriggeblieben als die alten Bootsschuppen. Eine ganze Reihe uralter grauer Bootsschuppen umsäumt bis auf den heutigen Tag die kleine Bucht, wo einstmals Fischerboote und Segelkutter an den Bootsstegen vertäut gelegen hatten und wo die emsig fischenden Vorfahren der Bewohner von Saltkrokan ihre Netze und Grundleinen auf den kahlen Uferfelsen zum Trocknen ausgehängt hatten. Heute gab es hier keine Fahrzeuge mehr bis auf einen alten, verlassenen Heringskutter, der seinen letzten Ankerplatz in der Bucht gefunden hatte. »Die Tote Bucht« nannten die Kinder sie. Und tot war sie, still und ausgestorben. Es lag ein eigentümliches Schweigen über dem Platz, und dorthin ging Pelle manchmal auf seinen einsamen Wanderungen. Stundenlang konnte er hier sitzen, den Rücken gegen eine besonnte Schuppenwand gelehnt, und den Libellen zuschauen, wie sie zwischen den Stegen hin und her flatterten, und die Ringe im Wasser zählen, wenn ein Barsch unter dem blanken Wasserspiegel hochzuckte.
    Für Pelle war die Tote Bucht ein Ort des Friedens und der Träume. Aber es gab Leute, die das Schweigen hier beängstigend fanden, beinahe gespenstisch. Man konnte sich einreden, daß sich in den düsteren Winkeln der verlassenen Bootsschuppen die schwärzesten Geheimnisse verbargen, und nur selten kam ein Mensch hierher. Hier würde niemand nach Moses suchen. In einem Bootsschuppen an der Toten Bucht würde er gut versteckt sein.
    Tjorven hatte einen kleinen flachen Leiterwagen, in dem sie Moses beförderte, wenn sie weite Wege mit ihm zu machen hatte und wenn sie keine Geduld mit seinem Gekrabbel hatte. Jetzt hatten sie einen solchen weiten Weg

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