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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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»Hoppla!«, weil Herr Gottfried an ihre Milchkanne stößt. Und dann tritt er in die große Bauernstube. Da umfängt ihn das ganze große Behagen des zu früh Erwachten, der in eine warme Stube tritt. Alle Glieder dehnen sich in Wohligkeit. Um den Tisch sitzen schon die Genossen und Genossinnen. Viele trinken Kakao, andere löffeln Milchsuppe. Er suppt. Susanne muß ihm den hübschen, wahrhaft künstlerisch geformten Napf zweimal füllen. Die Frühstücksunterhaltung ist spärlich und nüchtern wie überall. Zu Hause würde er jetzt Kaffee trinken und die Zeitung dazu lesen. Das bißchen Koffein würde ihm wahrscheinlich nichts schaden; aber daß er die Zeitung wieder mal auf den Tisch hauen oder zerknüllt an die Wand schmeißen würde - das wäre schlimmer. Hier gibt’s keine Zeitung. Es geht auch so. Sollten Amerika und Japan inzwischen Krieg bekommen haben, ihm ist’s völlig egal, wer dabei zugrunde geht, gleichgültiger als der vom Dackel zernagte Latschen.
    Der Regen spritzt noch immer an die Scheiben. Ein »Sauwetter« würde er zu Hause sagen, die Gummischuhe anziehen, den Mantelkragen hochschlagen und auf dem schnellsten Wege zur Straßenbahn trachten, um zum Gericht zu fahren.
    Hier - Gottfried Stumpe - o weh! Gestern war das Wetter nicht viel besser, und er hat Dünger fahren müssen. Die Arbeit verteilt Vater Barthel. Gottfried glaubt, der Bauer habe etwas gegen ihn. Jedenfalls - das steht fest - dieser Methusalem wird immer bevorzugt. Ist’s schön und warm, daß er auf dem Kartoffelfelde Allotria mit dem Weibsvolk treiben kann, geht er hinaus; regnet es und bläst der Wind, wird er zu häuslichen Arbeiten verwandt. Alles Protektion auf der Welt! Herr Amtsgerichtsrat Doktor - nein, Gottfried Stumpe, hätte nie gedacht, es nötig zu haben, sich um das besondere Wohlwollen eines Bauern Barthel oder einer Frau Susanne bemühen zu müssen. Er verschmäht auch alle Liebedienerei, um sich Vergünstigungen zu verschaffen. Dieser Methusalem - er ist ja sonst ein netter Kerl - ist schon fünf Monate hier, aber eigentlich ein Kriecher; denn er soll Frau Susanne auf einem Schaffboden in einer fabelhaft geschmeichelten Weise porträtiert haben, daß er, trotz gelegentlicher Anrem-pelung, lieb Kind im Hause ist und bleibt. Denn Susannes
    Bild hängt jetzt in einer Münchener Ausstellung; das schmeichelt natürlich solch alter Schachtel gewaltig.
    Die dicke Lene drüben am Nachbartisch - Gottfried müßte sich furchtbar täuschen, wenn er in ihr nicht die Gattin des Juweliers Rosenbaum erkannt hätte - sagt eben Vater Bar-theln eine plumpe Schmeichelei über seine Uhrkette, die ein klobiges Ding ist und vielleicht einen Taler gekostet hat. Aber Barthel, der ein geriebener Patron ist, merkt den Braten und sagt: »Ja, ja, Lene, meine Uhrkette is zwar sehr schön; aber Rüben abkloppen müssen Sie heute trotzdem.«
    »Es ist furchtbar kalt!« stöhnt die Dicke.
    »Lene«, belehrt sie Vater Barthel wohlwollend; »es ist kalt, das ist wahr. Aber Sie sind hier, um dünner zu werden, und Kälte zieht die Körper zusammen.«
    Sämtliche Frühstücksleute grinsen. Auch Gottfried freut sich. Gestern, als er Dünger fahren mußte, hat er sich bloß damit getröstet, daß es die Arbeiter auf dem Rübenfelde noch schlimmer hatten als er. Die Rüben aus dem naßkalten, manschigen Acker zu nehmen, sie aneinander zu »kloppen«, damit überflüssige Erde abfällt, und sie für den Wagen zu sammeln, ist an solchen Regentagen keine schöne Arbeit und nichts weniger als Maniküre. Die Finger werden blaurot. Nur Pulswärmer helfen etwas. Scheußlich. Er - Gottfried -freut sich auf seine Düngerfuhre. Da pendelt er so langsam neben seinen beiden nachdenklichen Rößlein einher, und der Ammoniakgeruch, den seine Ladung ausströmt, stört ihn nicht. Der soll sogar ausgezeichnet gesund für die Lungen sein.
    »Methusalem, Sie werden heute Holz hacken!« hört er Vater Barthel weiter reden.
    Richtig! Es regnete - folglich blieb Methusalem im Trockenen. Gottfried haßte in diesem Augenblick den Methusalem, wie er zu Hause den Kollegen gehaßt hatte, der den Adlerorden erschleichen wollte. Solche Leute verstehen es eben, immer »nach oben« zu schielen.
    »Oben« - das waren hier Vater Barthel und Frau Susanne. Barthel tat so, als ob er unparteiisch sei.
    »Das sage ich Ihnen aber, Methusalem, gravieren Sie mir heute wieder ein Bild auf die Axt, haben Sie das letztemal Holz gehackt!«
    Methusalem gelobte, keine Bartheische Holzaxt mehr zu

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