Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
tatsächlich?
Im Pathologiebericht von Dr. Mohl war doch von schon länger andauernder Pflegebedürftigkeit die Rede gewesen, von allgemeinen Zeichen von Vernachlässigung amganzen Körper, überlegte Lundquist. Ob sie wohl erst in Schweden krank geworden ist? Dann war sie sicher eine extrem schwierige Patientin, die immer einen Grund zum Nörgeln und Mäkeln fand. Er konnte sich sogar vorstellen, dass sie es ganz abgelehnt hatte, sich von ihren Angehörigen pflegen zu lassen – schon aus Angst vor Gift im Essen etwa. Aber mit Sicherheit würde sie die Situation genutzt haben, um die gesamte Reisezwangsgemeinschaft ordentlich zu tyrannisieren!
Hätte sie nicht auf ihren Karten an die Freundin ihren angeschlagenen Gesundheitszustand erwähnt? Oder war sie zu stolz? ›Auch eine Indianerin kennt keinen Schmerz‹? Eine Frau, die hart gegen sich selbst und andere war?
Lundquist sah zum Fenster hinaus.
Sein blasses Gesicht spiegelte sich in der dunklen Scheibe, während draußen die Baumstämme wie dunkle Stangen vorbeihuschten. Hin und wieder konnte er auch den steilen Abgrund dicht neben seiner Tür erahnen.
Ihn schauderte.
Wenigstens lebten hier im Schwarzwald keine Elche, die plötzlich als todbringendes Hindernis die Straße blockierten. Die großen Hirsche, die es in dieser Gegend angeblich gab, waren wohl eher scheu.
Ob er wohl auch bald ein nörgelnder Pflegefall werden würde?, schweifte sein Denken plötzlich ab. Die Rolle des Pflegebedürftigen war ihm fremd, er mochte sie nicht. Würde er je lernen, damit so umzugehen, dass er für die anderen nicht zur unerträglichen Belastung wurde.
Rasch versuchte er die Bilder, die sich ihm unbarmherzig aufdrängten, zu verscheuchen, putzte sich die Nase und fragte dann in die Stille des Autos: »Wenn die Kirstensnun einfach das Konto leer räumen, könnt ihr gar nichts dagegen tun, oder?«
»Sollten sie tatsächlich eine Vollmacht besitzen – nein.«
»Das heißt, sie wären im Moment in der Lage, das gesamte Vermögen von Frau Helm auf einem geheimen Konto unterzubringen. Selbst wenn sie dann des Mordes überführt würden, wäre das Geld in ihrem Besitz!«
»Hm!«, grunzte Volker misslaunig.
»Das werden wir überprüfen. Bisher waren es nur kleine Beträge, die mit der Zweitkarte abgebucht wurden«, murmelte Karl beunruhigt.
»Angenommen, die Kirstens haben ihre Oma tatsächlich ermordet – können sie dann nach deutschem Recht trotzdem erben?«
»Nicht«, versicherte Karl sofort, »wenn wir der Familie den Mord an Frau Helm nachweisen können. Dann erben sie keinen Cent. Ich glaube, in dem Fall würde wohl unser Wahlaustralier erben.«
»Was aber, wenn Frau Kirsten die Tat begangen hat und die anderen nichts davon gewusst haben? Erbt er dann?« »Das ist eine gute Frage – ich kann sie dir auch nicht so einfach beantworten«, Karl zog die Stirn hoch. »Aber dann müssten sie uns ihre gemeinsam zu Protokoll gegebene Geschichte gut erklären können!«
»Ich glaube nicht, dass das klappt. Da könnten ja die Erbschleichermörder sich ohne Probleme aus der Affäre ziehen. So nach dem Motto: Wir morden gemeinsam, danach gehst du für ein paar Jahr in den Knast, und wenn du entlassen wirst, dann leben wir in Saus und Braus! Das gibt’s doch bestimmt nicht, oder?«, polterte Volker entrüstet von der Vorstellung, dass Straftäter so, nur leicht geschoren, davon kommen könnten.
»Vielleicht würde Frau Kirsten auch noch mildernde Umständebekommen, weil ihr Opfer sich ihr gegenüber so biestig verhalten hat. Bei guter Führung wäre sie ganz fix wieder draußen«, spann Knyst den Faden weiter.
»Und selbst wenn sie keine mildernden Umstände bekäme, wäre sie doch schnell wieder draußen, nicht wahr? So nach sechs oder sieben Jahren können sie hier entlassen werden, oder?«, fragte er dann weiter.
»Manchmal schon!«, fauchte Volker. »Da jagen wir die durch die Gegend, schnappen sie, geraten bei der Verhaftung vielleicht noch selber in Gefahr – und dann kriegen die nur so ein paar läppische Jahr. Und der andere, also das Opfer, das ist eben leider tot und wird auch in ein paar Jahr nicht lebendig. Das erkläre mal den Angehörigen!«
»Und dann verkaufen sie ihre Geschichte an Presse und Fernsehen und verdienen auch noch Geld damit. Manchmal geht es sogar so weit, dass sich die Mörder nach der Haft als Opfer darstellen und tatsächlich noch bedauert werden wollen. Dabei wird leider viel zu oft vergessen, dass es um Tote geht«, Karl
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