Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
Ferienhaustote oder eher nicht?«
»Das können wir noch nicht mit Sicherheit sagen«, antwortete Knyst, zog seine Jacke aus und warf sie nachlässig über die Lehne des Stuhls auf dem er saß.
»Schon – das ist mir klar. Aber was für ein Gefühl habt ihr denn dabei? Vom Instinkt her? Haltet ihr es für wahrscheinlich oder denkt ihr, es ist eher unwahrscheinlich?« Volker ließ einfach nicht locker.
»So gesehen halten wir es eher für unwahrscheinlich«, stellte Knyst klar.
»Aber – wo ist sie dann? Sollen wir glauben, dass sie einfach noch Urlaub macht? Irgendwo?«
Lundquist hätte gerne geantwortet, dass sie da nun wirklich nicht helfen konnten.
Wenn es nicht ihre Tote war, würden die deutschen Behörden eben nach der Frau aus St. Peter suchen müssen. Nach dem, was sie über sie gehört hatten, standen ihre Chancen nicht schlecht, gesund und munter zu sein.
»Tja, die Situation ist schon eigenartig«, sagte er stattdessen, »Motiv ist da, Gelegenheit wohl auch, vielleicht auch genügend Entschlossenheit bei der Familie Kirsten. Schließlich ist Frau Helm nicht gerade eine umgängliche und nette alte Dame. Trotzdem habe ich Zweifel. Für mich passt das, was wir über Frau Helm gehört haben, einfach nicht zu der Frau, die wir gefunden haben. Von der habe ich ein ganz anderes Bild. Natürlich kann ich mich auch täuschen.« Er holte tief Luft und begann nervös an seinem Kragen zu nesteln. Dann fragte er gehetzt: »Entschuldigung – aber kann man dieses Fenster da öffnen oder ist es verriegelt?« Karl sprang sofort auf und riss das Fenster weit auf. »Offensichtlich hielt man uns nicht für suizidgefährdet, als man uns dieses Büro zuwies. Wir können es öffnen. Die Kollegen von der Sitte haben diesen Vorteil nicht.«
»Die Nase ist dicht«, entschuldigte sich Lundquist, stand auf und stellte sich rasch direkt ans Fenster in den leichten Luftzug und atmete tief ein. So schlimm ist Brittas Infekt jetzt auch wieder nicht, schoss es ihm durch den Kopf. Schöner Ermittlungsleiter! Du lässt dich gehen!, höhnte eine böse Stimme tief in seinem Inneren, bist ein Suselchen! Er hätte schwören können, dass sie Ähnlichkeit mit der von Dr. Kramp gehabt hatte.
Vielleicht wäre es doch verantwortungsvoller, die Leitung der Ermittlungen abgeben?
War er womöglich gar nicht mehr wirklich in der Lage, die Arbeit an dem Fall mit dem notwendigen Engagement durchzuführen? Konnte es sein, dass er ein Risiko für den Erfolg der Nachforschungen darstellte? War auf seinen sonst so sicheren Instinkt kein Verlass mehr?
Umständlich entfaltete er ein neues Papiertaschentuch und putzte sich zur Straße gewandt ausgiebig die Nase.
Danach setzte er sich in Gedanken ein Ultimatum.
Wenn er nicht bis morgen Abend einen sinnvollen Ermittlungsansatz gefunden hätte, würde er mit Dr. Kramp über seine Ablösung sprechen!
Als er sich wieder zu den Kollegen umdrehte, fing er den besorgten und etwas ratlosen Blick Knysts auf. Lundquist würde ihn einweihen müssen – und zwar schon sehr bald. Es war unfair den Freund im Unklaren zu lassen, fast schon ein Vertrauensbruch.
Heute Abend, nahm er sich vor. Wenn es sich ergab.
Der schwedische Ermittler kehrte zu den drei anderen an die Schreibtische zurück.
»Tut mir Leid«, entschuldigte er sich, »die ganze Abteilung hat die Grippe.«
»Ist schon in Ordnung. Aber steck uns bloß nicht an, gell. Nachher seid ihr längst wieder daheim, über die Grenze entkommen, und wir sterben hier wie die Fliegen an eurer heimtückischen, schwedischen Virusgrippe!«, malte Volker scherzhaft genüsslich ein Horrorszenario aus.
»Wir wissen leider bisher nur ziemlich wenig über die Tote. Und es wird etwas länger dauern, bis wir genauere Erkenntnisse bekommen. Gerade wegen des Zustands der Leiche. Vor einer Woche bis zehn Tagen können wir kaumdamit rechnen. Aber aus dem Obduktionsbericht geht immerhin eindeutig hervor, dass sie wohl längere Zeit vor ihrem Tod schon auf Pflege angewiesen war. Der Körper zeigte deutliche Spuren von ›Verwahrlosung‹, wie das unser Rechtsmediziner nennt«, kam Knyst wieder zum Thema zurück.
»Was bedeutet verwahrlost in dem Zusammenhang konkret? Wie stark war sie verwahrlost und wie schnell geht das?«, wollte Karl wissen und formulierte damit die Frage, die auch die schwedischen Kollegen schon beschäftigt hatte.
»Wir müssen also klären, wie schnell ein Körper diese Anzeichen oder diesen Zustand von Vernachlässigung erreichen kann. Ob zum
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