Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
überstanden! Halte durch!«, rief Lundquist ihm nach und betastete seine noch immer leicht schmerzende Nase.
Dann grinste er: »Ein neues Opfer.«
Über den langen Flur konnten sie Ole immer noch wie einen Elefanten prusten und trompeten hören. Eilig flohen die Hauptkommissare in ihr eigenes Büro und schlossen die Tür.
»Taugt wohl nicht viel als Virensperre«, stellte Knyst nach einem kritischen Blick auf den breiten Türspalt über dem Boden fest. Aber offenbar war seine Abwehrlage besser als die mancher Kollegen – schließlich hatte er sich auch bei seinem Freund nicht angesteckt.
Er reichte Lundquist die Mappe.
»Ich dachte immer, man könne nur bei Serientätern ein Profil erstellen. Bei der Fortbildung vor einem Jahr hat der Psychologe uns erklärt, nur Mehrfachtäter hinterließen an den unterschiedlichen Tatorten relevante Details, die Aussagen über sie selbst zulassen würden.«
»Ja. Daran kann ich mich auch erinnern. Aber in dem Buch über Morde in Amerika, das ich gerade gelesen habe, weißt du, von diesem bekannten Profiler – wie hieß denn der noch gleich – ah, ja John Douglas, da haben sie auch bei Einzeltaten Profile erstellt. Könnte doch sein, dass sie inzwischen über verfeinerte Analysemethoden verfügen.« Lundquist schlug die Akte auf und begann zu lesen. »Ekbjerk schreibt, dass er sich normalerweise nicht in Ermittlungen einmischt. Es sei durchaus problematisch, bei einem Einzeltäter Aussagen zu machen und sie seien deshalb auch relativ vage. Hier steht: ›Die Umstände lassen doch gewisse Rückschlüsse auf den Hintergrund der Tat zu und daraus resultierend auch über die psychische Verfassung des Täters‹«, las er vor. »Er hat mit Dr. Mohl gesprochen und dann versucht, ein Profil für uns zu entwerfen, das uns den Mörder greifbarer machen soll, vorstellbarer. Ekbjerk glaubt, der Mörder sei mit der Pflege der altenDame offenbar überfordert gewesen, vielleicht war er der permanenten Boshaftigkeit durch die Pflegebedürftige ausgesetzt, möglicherweise war sie dement. Chronischer Stress durch erzwungenen, weitgehenden oder gar vollständigen Verzicht auf ein eigenes Privatleben. Er meint auch, dass besonders häufig Frauen gezwungen sind ihren Beruf aufzugeben, um dann die häusliche Pflege zum Beispiel der verhassten Schwiegermutter zu übernehmen, zum einen, weil der Mann meist den besser bezahlten Job hat und zum anderen, weil in unserer Gesellschaft eben doch noch immer dieses tief verwurzelte Rollenklischee gelebt wird, dass die Frau in ein Hausmütterchendasein zwingt.« Lundquist trat ans Fenster und blinzelte ins Tageslicht.
Oh Gott, dachte er, so werde ich auch enden.
Nörgelig und ungerecht – hoffnungslos und wehrlos der Pflege durch meine Mutter ausgeliefert! Lisa wird sich von mir abwenden und nur noch das Kind ihrer Oma sein – was für eine niederschmetternde Perspektive! Tränen brannten plötzlich in seinen Augen, er versuchte hastig sie wegzureiben.
»Wie kannst du eigentlich lesen, wenn du ständig Doppelbilder hast? Ist das nicht furchtbar anstrengend?«, Knyst war neben ihn getreten, legte ihm eine große Pranke auf den Unterarm und nahm ihm mit der anderen Hand den Hefter ab.
»Geht schon. Man gewöhnt sich ganz gut dran«, murmelte Lundquist.
»Dr. Ekbjerk ist aber davon überzeugt, dass der Täter wohl einiges an Kraft aufwenden musste, um die Frau zu ersticken – bei der massiven Gegenwehr. Auch hat es ziemlich lange gedauert – Ersticken ist nicht gerade eine besondersschnelle Tötungsmethode. Er tippt daher auf einen frustrierten Mann, wahrscheinlich unverheiratet, möglicherweise, weil er die Pflege übernehmen musste. Trotzdem wurde die Leiche beinahe liebevoll in diese Truhe gebettet, was auf eine tiefe emotionale Bindung schließen lässt – obwohl er durch die besonderen Umstände auf so vieles verzichten musste. Kein Privatleben, also auch kein erfülltes Sexleben – da ist Aggressionspotential drin«, schloss Knyst mit Kennermiene, was Lundquist amüsiert schmunzeln ließ.
Klar, für seinen Freund war ein Mord in solch einer Situation durchaus erklärbar.
Lundquist kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und dachte laut, während er nach Papier und Stift angelte: »Wir müssen unsere Pflegefallliste nach Personen abklopfen, die von Männern gepflegt werden – oder von starken alleinstehenden Frauen.« Dann sah er zu Knyst auf, der noch immer am Fenster stand und ein leises Zischen von sich gab.
»Steht da sonst noch was
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